Murat Kurnaz: Akten, Akten, Akten

Das Material im Fall Kurnaz ist kaum noch zu bewältigen. Es ist oft nicht ganz klar, welcher Mosaikstein wofür steht

3.000 Seiten Aktenmaterial müssen die Mitglieder des Ausschusses in drei Tagen lesen

BERLIN taz ■ Der BND-Untersuchungsausschuss ringt im Fall Murat Kurnaz mittlerweile mit Zehntausenden von Akten. Fast jede Woche kommen neue hinzu. Es ist für alle Beteiligten schwer, in diesem Wust aus Protokollen, Vermerken, Daten und Quellenberichten den Überblick zu behalten. Die Obleute der einzelnen Fraktionen haben zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, um das Material bewältigen zu können.

Allein die Akten des Bremer Verfassungsschutzes zum Fall Kurnaz umfassen 3.000 Seiten. Sie sorgten Mitte voriger Woche für Aufregung, weil sie nicht rechtzeitig beim Untersuchungsausschuss in Berlin eingetroffen waren. Der Verdacht der Aktenmanipulation machte die Runde. Die Akten sind inzwischen in den Händen des Ausschusses. Einige Abgeordnete erhielten sie am späten Freitagabend, andere erst am Montagmorgen. Max Stadler (FDP) und Wolfgang Neskovic (Linksfraktion) forderten daraufhin eine Verschiebung der für diesen Donnerstag angesetzten Ausschusssitzung. Ein seriöses Studium von 3.000 Seiten Aktenmaterial in drei Tagen sei nicht zu leisten, argumentierten sie. Der Antrag wurde von der Mehrheit des Ausschusses abgelehnt.

Dieser Druck wird zusätzlich dadurch erhöht, dass die Medien fast jeden Tag Details aus ihnen zugespielten Akten veröffentlichen. Diese Veröffentlichungen betreffen oft einzelne Mosaiksteinchen des Gesamtbilds über Murat Kunaz. So verdienstvoll diese Aufklärungsarbeit ist – außer den Ausschussmitgliedern und ein paar Dutzend Kurnaz-Experten in den Medien lassen diese Details die politische Öffentlichkeit oft ratlos oder überfordert zurück. Sie verdeutlichen nicht immer die großen Linien des Falles. Der Stern berichtete in seiner gestrigen Ausgabe, dass Kurnaz bei seiner Festnahme in Pakistan im Dezember 2001 dekoratives Ziergebäck, ein handgemachtes Holzspielzeug und eine Kette aus Leder mit sich im Rucksack trug. Das Magazin wertet diese Mitbringsel als Beleg dafür, dass Kurnaz nach Hause und nicht in den Krieg nach Afghanistan wollte. Kann, muss aber nicht so sein.

Eine Alternative zu dieser Puzzlearbeit gibt es nicht. In ein paar Monaten will der Ausschuss seinen Kurnaz-Bericht vorlegen. Dann folgt der Fall Zammar. JENS KÖNIG