WURST AUF HALBEM WEG
: Rennende Idioten

Ich schnaufe, verdrehe die Augen, strample weiter. Ist da vorn jetzt nicht schon die Hälfte?

Den Weg, den ich gerade fahre, fahre ich so oft, dass ich mir Punkte gesetzt habe, von wegen wie weit ich schon bin. Ein Drittel, die Hälfte, fast da, jetzt aber, nur noch ums Eck, geschafft. Solche Punkte sind praktisch, zum Anspornen, meist jedenfalls. Heute aber habe ich echt keine Kraft in den Beinen; ich trete und trete und komm nicht vom Fleck. Ein Drittel erst? Ich schnaufe, verdrehe die Augen, strample weiter. Ist da vorn jetzt nicht schon die Hälfte? Aber da vorn ist nicht die Hälfte, da vorn ist ein Parkplatz, über den jemand rennt, rauf auf die Straße und mir unters Rad, wenn er nicht aufpasst. Hat mir gerade noch gefehlt, so ein Idiot. Wegen dem muss ich gleich bremsen, und dabei war ich jetzt fast schon ein bisschen schneller geworden. Doch der Idiot rennt weiter, quer über den Platz, jetzt winkt er auch noch und schreit. Ich schaue kurz hin, dann wieder stur auf die Straße. Nur weiter, ja, weiter, da vorne an der Ecke ist die Hälfte des Weges geschafft.

Aber so weit komme ich dann doch nicht, denn der Idiot ist gar keiner, sondern ein Freund. „Joey!“, schreit er, und jetzt, da er mir gleich am Rad vorn klebt, erkenne ich ihn auch. „Halt doch mal an!“ Ich bremse und stoppe und eigentlich ist das auch besser, denn so lahm, wie ich radele, war’s ja nicht mehr zum Aushalten, mal ehrlich.

Mein Freund ist nicht alleine, vom Parkplatz rennen noch welche, zwei Knirpse, seine Söhne. „Joey!“, schreien auch sie, und ich fühl mich auf einmal viel besser. So viel Begeisterung, das tut gut. Ich umarme meinen Freund, beuge mich dann runter zu seinen Kindern, und bevor ich weiß, wie, hab ich ’ne halbe Bockwurst im Mund. Der Kleine hat mich gefüttert, und jetzt, wo ich kaue, merke ich auch, wie hungrig ich war. Ich kaue weiter, krieg noch die andere Hälfte und schwing ich mich wieder aufs Rad, und auf einmal geht es ganz flott – Hälfte, fast da, jetzt aber, einmal ums Eck, geschafft. JOEY JUSCHKA