DER ALTE MEISTER
: David gegen Goliath

Wäre das Video, in dem ein Dschihadist der syrisch-irakischen IS den amerikanischen Journalisten James Foley enthauptet, unzensiert zu sehen – die meisten Zuschauer würden es wohl kaum aushalten und die Augen schließen. Wer Enthauptungen zusehen kann, ist gefühlt fast so kaltblütig wie jener, der sie durchführt. Das Video, über Social-Media-Kanäle verbreitet, war binnen weniger Stunden nicht mehr zu finden. Die Einigkeit war groß, das Video nicht zu zeigen, um die Propaganda der Dschihadisten nicht zu bedienen. Auch die taz zeigt weder das Video noch Bilder daraus.

Nicht immer galt eine Enthauptung als entsetzlich. Im Mittelalter war die Enthauptung – anders als das Erhängen am Galgen – nicht ehrenrührig. Nur Adlige genossen das Privileg, „mit blutiger Hand“ statt von „trockener Hand“ enthauptet zu werden. Das Gleichheitsprinzip der Französische Revolution gestattete das Enthaupten dann allen Verurteilten. Der einzige Staat, der dies heute noch offiziell betreibt, ist Saudi-Arabien. Und seit Anfang Juni eben das Kalifat der IS.

Bei Enthauptung denkt man immer an Mittelalter und hat jene Bilder im Kopf, die uns Caravaggio (1571–1610) hinterlassen hat. Der Italiener selbst war 1606 zum Tod durch Enthauptung verurteilt worden, weswegen er aus Rom floh. Das Motiv der Enthauptung verarbeitete er in zahlreichen Darstellungen von David mit dem Kopf von Goliath und Salome mit dem Kopf von Johannes dem Täufer.

Was würde die IS tun, eroberten sie, wie angekündigt, tatsächlich Rom? Kirchen und Museen schleifen, in denen die Caravaggios hängen – die einzige Form, in der wir „Ungläubigen“ eine Enthauptung überhaupt noch angucken können.

DORIS AKRAP