Siggi Gabriel siegt nach Punkten

„Die Witze mache ich“: Der schwergewichtige Umweltminister zeigt in der Sonntags-Matinee der „Zeit“ den journalistischen Schwergewichten vom Speersort, wer die Regeln bestimmt

von DANIEL WIESE

Man muss sich die Sonntags-Matinee der Zeit als einen Kampf vorstellen: In der Mitte sitzt der jeweilige Gast aus der Politik, eingerahmt von den Zeit-Herausgebern Michael Naumann und Josef Joffe. Die Herausgeber versuchen den Politiker zu grillen, indem sie gewiefte Fragen stellen. Der Politiker verteidigt sich.

Ein leichter Heimvorteil für die Zeit, sollte man denken, auch wenn an diesem Sonntag Naumann wegen seiner Kandidatur für die Hamburger SPD durch Martin Klingst ersetzt wurde, der immerhin Zeit-Politikchef ist. Naumann werde „leider etwas länger fehlen“, erklärte ein gut gelaunter Joffe, nachdem der Gong von „Deutschlandradio Kultur“ verklungen war.

Der Gast war gestern Klimaschutzminister Sigmar Gabriel, Joffe führte den ersten Angriff. Dass Gabriel mit zwei Autos angereist sei, sei „klimapolitisch nicht korrekt“. Gabriel: „Das stimmt.“ Joffe, streng: „Und das ist alles, was Sie dazu zu sagen haben?“ Gabriel: „Wenn Sie so blöd fragen …“ Ein Bundesminister müsse manchmal mit dem Auto fahren, weil es Termine gebe, die mit dem Zug nicht zu erreichen seien.

Gabriel brachte seine Retourkutsche so charmant vor, dass die Beleidigung, die sie enthielt, überhaupt nicht auffiel. Dass man ihn als „100 Kilo Selbstbewusstsein“ vorstellte, bezeichnete er noch als „Kompliment“, aber ab einem sehr frühen Punkt akzeptierte er keine Witze mehr. „Es scheint schwer zu sein, an einem Sonntagmorgen ernsthaft mit ihnen zu sprechen“, rügte er Zeit-Herausgeber Joffe, der versucht hatte, sich dem Thema Artenschutz über die Feldhamster zu nähern.

Statt sich auf Plaudereien einzulassen, echauffierte sich Gabriel über den Kolonialismus beim Artenschutz, der darin bestehe, den afrikanischen Ländern die Jagd auf Großwild zu verbieten, in Deutschland aber Wölfe abzuschießen oder auch Feldhamster zu dezimieren, weil sie stören. „Die Feldhamster sind unsere Löwen“, so das Bonmot von Gabriel, der mit dem „genetischen Material“ argumentierte. Beim Klimaschutz geht es ihm um die „Energiebasis der Industriegesellschaften“, die „umgebaut“ werden muss. Tempo 130 nütze nichts, wenn 1,3 Milliarden Chinesen Auto fahren. Dafür brauche es „neue Kraftstoffe, neue Motoren“.

Je länger das Gespräch ging, desto mehr bekam Gabriel Oberwasser. „Darf ich Sie unterbrechen?“, fragte Joffe höflich bei einer sehr langen Antwort des Ministers. „Nein“, antwortete Gabriel, „Ihr Kollege hat eine schwierige Frage gestellt.“

Überraschenderweise kam Gabriels neue Ernsthaftigkeit beim selben Publikum gut an, das sich zuvor von Zeit-Herausgeber Joffe hatte Bücher signieren lassen. Der Minister lag nach Applauspunkten deutlich vor den Zeit-Moderatoren. Die Klimakatastrophe ist derzeit DAS Thema, und Gabriel hat sich gut positioniert: Umweltschutz ja, aber nicht durch Verzicht, sondern durch Technologie.

Möglicherweise hatte die Zeit Gabriel auch unterschätzt, der schon mal den lächerlichen Posten eines „Popbeauftragten der SPD“ bekleidet hat. Damals trug er den Spitznamen „Siggi Pop“, doch die Zeiten haben sich geändert. Während zunächst Joffe und Gabriel gleich breitbeinig in ihren Sesseln saßen, wurde Joffes Körpersprache bald unruhiger. Er schlug die Beine übereinander, kaute auf seinem Stift, während Gabriel sich zurücklehnte und lässig aus dem Handgelenk gestikulierte.

Der Vorwurf mangelnder Ernsthaftigkeit machte Joffe offenbar zu schaffen. „Damit Sie sehen, wie ernst wir das Thema nehmen“, legte er nach und präsentierte Zahlen über die Population der straußenähnlichen Großtrappe in Brandenburg, für die man extra die ICE-Strecke verlegt hatte. Gabriel winkte ab, das sei nicht wirklich das Problem, ihm gehe es ums Grundsätzliche, nicht um die eine oder andere Bahnstrecke.

So kam es, dass Gabriel vermutlich genau das sagte, was er sich vorgenommen hatte zu sagen, während auf Seiten der Zeit die Verzweiflung wuchs. Erst in der letzten Viertelstunde ließ sich Gabriel wieder auf die Spielregeln einer Talkshow ein. Nein, Bundeskanzler wolle er nicht werden, das solle mal „der Kurt“ machen. „Sehen Sie, ich habe eine Wahl verloren“, gab sich Gabriel bescheiden, der in Niedersachsen einmal der jüngste Ministerpräsident Deutschlands war. Immerhin sei er Bundesminister und werde von der Zeit eingeladen. Dann überlegte er kurz und sagte: „In der Pfütze ist die Fliege Admiral.“