Harte Schnitte und ein gurgelndes Klo

Das Stück „Der beste Mensch von Hannover“ im Münsteraner Pumpenhaus zeigt den Mörder Fritz Haarmann kunstvoll distanziert. Als rührend-naives Produkt einer sozialdarwinistisch grundierten Gesellschaft

Die Szenerie ist karg. Im weiß getünchten Keller des Münsteraner Pumpenhauses stehen lediglich ein Tisch mit Lampe und zwei Stühle. Links und rechts zwei Wände, hinter denen die Schauspieler verschwinden können. Pitt Hartmann spielt die Rolle von Fritz Haarmann, dem „Werwolf von Hannover“ schon zum zweiten Mal. Bis zu 24 „Puppenjungs“ (Stricher) soll der Gelegenheitshändler und Polizeispitzel Haarmann zwischen 1918 und 1924 umgebracht haben. Er tötete sie im „Liebesrausch“ durch Biss in die Kehle. Die Leichen zerteilte er mit seinem Kartoffelmesser (kaum mit dem „Hackebeilchen“ aus dem Gassenhauer) und versuchte, Teile im Klo auf dem Hof zu beseitigen. Der Gerichts-Psychiater Ernst Schultze sollte seine Zurechnungsfähigkeit feststellen.

Die Protokolle dieser Befragung wurden zur Basis von Romuald Karmarkars Film „Der Totmacher“ mit Götz George. Auch Hartmann, das „Urgestein“ der Münsteraner Off-Theater-Szene, hat vor Jahren für die freie Truppe „Freuynde + Gaesdte“ den „Totmacher“ gespielt. Im Zwinger, einem frühneuzeitlichen Knastbau, der auch als Gestapo-Folterstätte diente. Für sein eigenes Label „Hartmann & Konsorten“ werden nun andere Teile dieser Protokolle verwandt. Schon um wegzukommen vom Grusel-Hype à la Hannibal Lector. Der Truppe geht es darum, den „Massenmörder“ auch als – immer wieder fast rührenden – Menschen auf der Suche nach Nähe zu zeigen. Auch als rührend naiv, wobei dies auch „bauernschlau“ gespielt sein könnte. Stolz besteht Haarmann immer wieder darauf, dass „Polieren“ und „Lutschen“ unter Männern erlaubt sei. Stolz ist er auch auf seine zweifelhafte Berühmtheit.

Diesen „besten Menschen von Hannover“, wie Haarmann sich einmal selbst nennt, setzt Hartmann beeindruckend in Szene. Als jemand, der seine Taten als eine Mischung aus Kaffeetischplauderei und Zeitzeugenschaft erzählt. Andreas Ladwig als Schultze ist dagegen ein Mensch mit christlicher Moral, gewissenhaft, der nur manchmal Nähe aufkommen lässt, aber immer wieder empört die Contenance verliert, obwohl er doch weiß, es zählt nur ein „schuldig“. Haarmann soll geköpft werden.

Andreas Ladwig hat das Stück auch inszeniert. Als Collage mit sehr kurzen Szenen, mit harten Lichtwechseln montiert. Von den grausigen Details bleibt kaum etwas. Sie tönen nur im Off. Einige Male ertönt eine gurgelnde Klospülung, dann wieder hallendes Tropfen und Stöhnen. Dazu eine kitschig-sentimentale Drehorgel, die Haarmann neugierig ans Fenster lockt, und Teile des Protokolls als pseudo-authentisch verrauschte Audiospuren.

MARCUS TERMEER

Mi, 20:00 Uhr, Pumpenhaus Münster Infos: 0251-233443