Bei der nächsten Kreuzung rechts bezahlen

Ein Fahrschullehrer soll einen TÜV-Prüfer mit insgesamt rund 150.000 Euro bestochen haben, damit seine Fahrschüler die mündliche Prüfung ohne Probleme bestehen. Jetzt müssen sich beide vor dem Landgericht verantworten

„Ich hab ja gewusst, dass ich das nicht …“, erklärt der Angeklagte Norbert F. und verstummt. Statt seiner sagt der Richter: „durfte“. Er vollendet damit F.s einzigen Satz, der nach einem Geständnis klingt. 20 Fälle von Bestechlichkeit im besonders schweren Fall werden dem 55-jährigen ehemaligen TÜV-Prüfer vorgeworfen. Bestochen wurde er laut Anklage vom 42-jährigen Fahrschulinhaber Ali T. Falls die Angeklagten ihre Taten gestehen, so das Landgericht gleich zu Beginn, würde es den Prüfer mit maximal vier Jahren Haft und den Fahrschulinhaber mit vier Jahren und sechs Monaten Haft bestrafen. Doch so richtig gestehen wollten die Angeklagten gestern nicht.

Laut Staatsanwalt soll der Prüfer von Mai 2005 bis September 2006 mindestens 20 theoretische Führerscheinprüfungen zugunsten von Prüflingen manipuliert haben. Dafür habe ihm der Besitzer der Fahrschule in der Oranienstraße insgesamt 152.000 Euro gezahlt. Norbert F. habe den Prüflingen geholfen oder geduldet, dass der Fahrschulinhaber ihnen die Antworten vorsagte. Manchmal habe der Prüfer die Fragebögen auch selbst ausgefüllt. Die Gebühr für schriftliche Prüfungen beträgt etwa 10 Euro, mit der Fahrschule rechnete Norbert F. laut Anklage jedoch mündliche Prüfungen für 110,10 Euro pro Prüfling ab.

Über seinen Komplizen sagt der Fahrschulinhaber Ali T., er sei freundlich und fleißig. Vor allem gefiel ihm, dass F. Deutsche und Ausländer gleich behandelt hätte. Näher bekannt wurden sie, als F.s Frau nierenkrank wurde und Ali T. dem Prüfer Obst mitgegeben habe. Später soll der Deutsche sein Handy bewundert haben – Ali T. schenkte es ihm. Nun wusste der Türke: Der Prüfer ist bestechlich.

Bei einer anderen Begegnung überreichte er dem Deutschen einen 500-Euro-Schein und äußerte einen Wunsch: Norbert F. solle an seinem Prüfungstag zwei Stunden länger arbeiten – er hätte zu wenig Prüfer für seine Fahrschüler. Die Hilfen, die er und der Prüfer den Schülern mit mangelhaften Deutschkenntnissen gaben, hätten sich kontinuierlich gesteigert, erinnert sich Ali T. Für seine Dienste wollte F. keinen konkreten Betrag haben, der Türke gab ihm zwischen 300 und 800 Euro pro Prüfungstag.

Auch Norbert F. erinnert sich vor Gericht an das Obst, das Handy und den 500-Euro-Schein. All diese Geschenke habe er gar nicht haben wollen: Das Obst habe er an Bekannte verteilt, das Handy bekam sein Sohn und das Geld wollte er auch immer zurückgeben. Nur Ali T. habe es nicht zurückgenommen. „Ich wollte das gar nicht“, sagt der kleine, unscheinbare Mann immer wieder. Er habe versucht auszusteigen, doch T. erpresste ihn mit seinen vorherigen Taten. Aus Angst um seinen Job machte er weiter. „Ich hätte nie gedacht, dass ich da mal reingeraten würde. Ich bin 30 Jahre beim TÜV, es fing so harmlos an“, sagt Norbert F.

Schließlich kamen aus halb Deutschland Fahrschüler, die Schwierigkeiten mit den abstrakten Straßenverkehrs-Fragen hatten. Sie kamen nicht nur zu Norbert F. Es laufen weitere Ermittlungsverfahren vor dem Landgericht, sagt der Anwalt eines beschuldigten TÜV-Prüfers am Rande des Prozesses. Da der TÜV lediglich an den eingenommenen Prüfungsgebühren interessiert ist, sei von dieser Stelle keine Kontrolle ausgeübt worden. Die Gerüchte mussten erst bis zur Staatsanwaltschaft dringen, die mit Durchsuchungen reagierte und schnell fündig wurde.

Der Prozess wird am 30. März fortgesetzt. UTA FALCK