Generation Intifada

Aus der israelischen Stadt Lod stammt das palästinensische Rap-Trio DAM. Auf ihrer Deutschland-Tour können sie zeigen, dass sie sich neben wütendem Agit-Rap auch für Geschlechterfragen interessieren

von DANIEL BAX

Eine Polizeipatrouille inspiziert ein Auto mit arabischen Jugendlichen. Dann sieht man Bulldozer ein Gebäude niederreißen und eine Menschenmenge, die dagegen protestiert. Angeführt wird sie von einer attraktiven jungen Frau mit Sonnenbrille sowie ein paar jugendlichen Rappern. Sie prangern an, wie man den englischen Untertiteln entnehmen kann, dass es in den anderen Vierteln Kanalisation und Kindergärten gibt, während sie selbst ausgegrenzt werden. Dazu sieht man Kinder zwischen Ruinen und vorbeirasende Güterzüge: So lässt sich der Clip zum Song „Born here“ zusammenfassen, der im Internet auf www.youtube.com zu finden ist. Eine Liebeserklärung an die eigene Heimatstadt sieht anders aus.

Lod heißt die israelische Stadt, aus der das Hiphop-Trio DAM stammt. Die biblische Siedlung, auf halbem Wege zwischen Jerusalem und Tel Aviv gelegen, ist ein Eisenbahnknotenpunkt, das Stadtbild von Neubausiedlungen geprägt. Lod gilt als größter Drogenumschlagplatz Israels, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Ein Fünftel der knapp 60.000 Einwohner sind Araber. Von hier stammt Tamer Nafar, Jahrgang 1979, der DAM mit seinem Bruder Suhell in den Neunzigerjahren begründete, als Dritter stieß der Rapper Mahmoud Jreri dazu. Der Name steht für „Da Arabian MCs“, bedeutet auf Arabisch „Unbesiegbar“ und auf Hebräisch „Blut“.

DAM sind die Pioniere der kleinen, aber stetig wachsenden palästinensischen Hiphop-Szene. Mit ihrem Album „Dedication“ haben sie nun ihr Meisterstück abgeliefert: Traditionelle arabische Instrumente treffen auf frische Hiphop-Beats, Kinderchöre auf Reggae-Melodien. Gleich mehrere Songs handeln natürlich vom Nahostkonflikt. Daneben finden sich aber auch Liebeslieder; und dass es ihnen nicht nur um die Gleichheit von Israelis und Palästinensern, sondern auch der Geschlechter geht, zeigen sie mit dem Song „Freiheit für meine Schwester“.

„Dedication“ ist jedoch nicht nur geradezu mustergültig politisch korrekt. Es zeigt auch, dass DAM mehr draufhaben als jenen wütenden Agit-Rap, mit dem sie einst bekannt geworden sind. Ihr Stück „Min Irhabi“ – „Wer ist der Terrorist?“ – avancierte während der zweiten Intifada zur regelrechten Hymne. Darin fragten DAM: „Wer ist hier der Terrorist / wenn du mein Land nimmst?“ Der Song wurde über eine Million Mal aus dem Internet heruntergeladen. Im dazugehörigen Clip, der sich ebenfalls auf YouTube findet, reihten sie dazu Szenen israelischer Gewalt aneinander: Armeehubschrauber, die aus der Luft schießen, und israelische Soldaten, die mit bloßen Steinen auf Palästinenser einschlagen, die am Boden liegen. Mit diesem Song reihten sich DAM in die Fronten des Propagandakriegs, der mit der zweiten Intifada zwischen beiden Seiten eskalierte.

Dabei hatte alles noch ganz anders angefangen. Die israelische Filmemacherin Anat Halahmi hat in ihrem preisgekrönten Dokumentarfilm „Channels of Rage“ die frühen musikalischen Schritte von Tamer Nafar festgehalten. Damals rappte der Junge aus Lod noch auf Hebräisch. Erst mit der Zeit wechselte er ins Arabische und begann sich als Sprachrohr der palästinensischen Jugend – in Israel und den besetzten Gebieten – zu verstehen. Damals war er auch noch locker mit dem israelischen Rapper Yaakov Shimoni alias Sublimal aus Tel Aviv befreundet. Doch mit der Intifada trennten sich ihre Wege.

Sublimal machte Karriere, indem er den Stolz auf ein wehrhaftes Israel beschwor. Indem er auf der Bühne stets die israelische Fahne mit sich führte, sprach er an die patriotischen Gefühle seiner Fans, und der faustgroße Davidstern, den er um den Hals trägt, wurde zum Modetrend. Bald spielte Sublimal in immer größeren Hallen und stieg zum ersten Superstar des „zionistischen Hiphop“ auf. In „Channel of Rage“ gibt es eine Szene, wo Sublimal sogar die Gemüter seines Publikums beruhigen muss, das – sehr zu seinem Leidwesen – bei seinem Konzert „Tod den Arabern“ skandiert.

Heute besitzt Sublimal das größte unabhängige Plattenlabel Israels und betreibt seine eigene Modelinie. Von Tamer Nafar entfremdete er sich auch, weil dieser die israelische Armee in einer Talkshow mit Terroristen verglich und ihr sogar Nazimethoden vorwarf. Damit war für Sublimal eine Linie überschritten. Mit linken israelischen Bands sind DAM dagegen noch häufiger aufgetreten, mit dem Rockstar Aviv Geffen haben sie sogar einen gemeinsamen Song aufgenommen. Musikalisch haben die beiden zwar nichts gemein; aber die politische Schnittmenge ist wohl größer als zu israelischen Rap-Kollegen.

Am Anfang der Dokumentation „Channels of Rage“ bekundet Tamer noch bei einem Konzert: „Hiphop wird den Frieden bringen.“ Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt.

Tournee: 8. 3. Berlin, 9. 3. Köln, 14. 3. Mainz, 15. 3. Unna, 16. 3. Fürth