Schweizer wollen keine soziale Einheitskasse

Die Eidgenossen stimmen für die Kopfprämie. Deutsche Kopfpauschalen-Fans sehen sich durch das Votum bestärkt

BERLIN taz ■ Die Schweizer Bevölkerung hat am Sonntag mit deutlicher Mehrheit gegen eine Einheitskasse gestimmt. Damit votierten 71,2 Prozent der Wähler dafür, ihre Krankenkasse wie bisher frei zu wählen und einheitliche Prämien für die Versicherung – sogenannte Kopfpauschalen – zu bezahlen.

Die links-grüne Initiative „für eine soziale Einheitskasse“ war der dritte Versuch, die über 80 Krankenkassen zu einer einzigen Kasse zu fusionieren, um die medizinische Grundversorgung zu sichern. Die Beiträge sollen sich nach dem Einkommen der Versicherten richten. Profitieren sollten vor allem Familien und RentnerInnen. Dabei bliebe die freie Arztwahl und die Möglichkeit für private Zusatzversicherung bestehen. Unklare Kosten für die Einheitskasse sieht der Berner Politologe Lutz Georg als Hauptgrund für deren Ablehnung.

Das Schweizer Gesundheitssystem ist stark privatisiert und nach den USA das zweitteuerste der Welt. Auf Platz 3 folgt Deutschland. Seit 2000 sind die Kosten für die Gesundheit in der Schweiz um ein Viertel gestiegen, die Prämien der Bürger zogen ebenfalls deutlich an. Derzeit muss jeder Erwachsene durchschnittlich 200 Euro (313 Franken) pro Monat für die obligatorische Krankenversicherung zahlen. Diese Modell ähnelt dem Kopfpauschalensystem, wie es in Deutschland von der CDU/CSU vertreten wird.

Die Kopfprämie erfreut sich besonders in der deutschsprachigen Schweiz einer hohen Akzeptanz. Im französischsprachigen Teil und im italienischsprachigen Tessin haben die Bürger hingegen stärker für ihre Abschaffung gestimmt. Sie müssen bereits jetzt höhere Krankenkassenprämien bezahlen.

In Deutschland sehen sich die Befürworter der Kopfpauschale gestärkt: „Es ist doch nachdenkenswert, dass sich die Leute in einer Volksabstimmung immer wieder für die Kopfpauschale entscheiden, anstatt eine staatsnahe Einheitsmedizin zu wählen“, sagte der Gesundheitsexperte der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Wolfgang Zöller (CSU), zur taz. Zöller war Verhandlungsführer für die Unions-Fraktion bei der kürzlich verabschiedeten Gesundheitsreform. Seine Fraktion will Kopfpauschalen durchsetzen, wohingegen die SPD einkommensabhängige Beiträge von allen Bürgern erheben und eine Bürgerversicherung einführen will. Bei der aktuellen Reform konnte keine der beiden Parteien ihr Konzept durchsetzen, man einigte sich auf einen Gesundheitsfonds, der alle Möglichkeiten offenlässt. Ein Aufflammen der Debatte sieht Unions-Expert Zöller aber nicht. „In dieser Legislaturperiode wird es keine Änderungen mehr am Kompromiss geben. Erst im zweiten Anlauf.“

Bei der SPD, die das Kopfprämienmodell als unsozial ablehnt, sieht man keine Parallelen zur hiesigen Debatte: „Das Ergebnis hat überhaupt keine Bedeutung für Deutschland. Hier schlägt ja keiner die Einheitskasse vor“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der taz. Die Bürgerversicherung, für die sich der Gesundheitsökonom einsetzt, lasse den Versicherten weiterhin die Wahl zwischen mehreren Krankenkassen.

NM, ALE