Zeit für Tempo 130

VON KATHARINA KOUFEN

So reflexartig auch am Wochenende die Forderungen von Umweltkommissar Stavros Dimas nach einem Tempolimit in Deutschland abgebügelt wurden – die Wirklichkeit sieht anders aus. Auch in Berlin werden die Forderungen nach Begrenzung der Fahrgeschwindigkeit lauter. Erstmals wollen jetzt Abgeordnete dreier Fraktionen einen Gruppenantrag in den Bundestag einbringen. „Einführung eines generellen Tempolimits von 130 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen“, so der Titel des vierseitigen Antrags, der der taz vorliegt.

Verfasst wurde das Papier von dem Umweltpolitiker Reinhard Loske (Grüne), der Verkehrsexpertin Heidi Wright (SPD) und dem CSU-Obmann im Umweltausschuss, Josef Göppel. „Deutschland ist weltweit eines der ganz wenigen Länder, auf dessen Autobahnen keine generelle Geschwindigkeitsgrenze gilt“, so die Abgeordneten. Ein Tempolimit würde „den deutschen Sonderweg beenden“. Die Gründe für ein generelles Tempolimit leiten die drei Parlamentarier aus dem „Umwelt- und Klimaschutz, der Energieeinsparung, der technologischen Zukunftsfähigkeit der Autoindustrie, der Verkehrssicherheit sowie dem demografischen Wandel“ ab. Die Abgeordneten sehen das Tempolimit als „ein Element einer umweltpolitischen Gesamtstrategie für den Verkehrsbereich“. Dazu gehörten außerdem eine Reihe andere Maßnahmen wie CO2-Grenzwerte für Autos, neue Antriebstechniken und Kraftstoffe, Schadstoffgrenzwerte und Steueranreize über die Kfz-Steuer.

Bisher allerdings steht nur bei Loske die Fraktion geschlossen hinter seinem Vorstoß. Wright und Göppel vertreten Meinungen, die in den eigenen Reihen noch nicht mehrheitsfähig sind. „Aber“, sagt Wright, „ich erlebe wachsende Zustimmung.“ Für einen Gruppenantrag braucht es 35 Parlamentarier. Wright hat bisher 35 SPDler zur Unterschrift bewegen können, etwa 15 Prozent der SPD-Fraktion. Der taz sagte Wright gestern, sie stelle in Gesprächen mit den Genossen jedoch immer wieder fest, dass die Zustimmung eigentlich weit größer ist. Aus politischen Gründen und weil Partei- und Fraktionsspitze bisher dagegen sind, wollten diese Abgeordneten sich nicht namentlich zum Tempolimit bekennen.

Noch schwerer hat es Unionskollege Göppel: Er ist bisher der einzige Befürworter des Antrags in seiner Fraktion. Die Unionsspitze lehnt ein Tempolimit strikt ab. „Das steht bei uns nicht auf der Tagesordnung“, sagte der verkehrspolitische Sprecher Dirk Fischer gestern. Allerdings gehe er davon aus, dass Göppel es schaffen werde, sich weitere Unterschriften für seinen Antrag aus der Unionsfraktion zu beschaffen.

Dies wiederum dürfte auf Seiten der SPD neue namentliche Befürworter hervorbringen. „Denn bei uns wissen die Leute eben auch: Ohne Union hat es keinen Sinn“, so Wright. Derzeit bremsen SPD-Spitzenpolitiker wie Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Parteichef Kurt Beck die Befürworter eines Tempolimits aus. Auch Umweltminister Sigmar Gabriel ist skeptisch. Stimmen aus den Reihen des Koalitionspartners könnten die Zustimmung für SPD-Abgeordnete unverfänglicher machen.

Für Loske kommt es darauf an, entweder eine Mehrheit zu bekommen – was schwierig wird – oder wenigstens „ein starkes Signal im Bundestag“ zu setzen. Die Grünen sind eigentlich schon weiter, plädieren für Tempo 120. Loske trägt jedoch die Forderung nach Tempo 130 aus Gründen der Durchsetzbarkeit mit – Hauptsache, überhaupt ein Tempolimit. Denn: „Die Zeit dafür ist reif.“