Neun Stunden lang entmachtet

Den FC St. Pauli beutelt seit Wochen ein Machtkampf zwischen Präsident Corny Littmann und dem Aufsichtsrat. Die jüngste Volte: Littmann macht seine Absetzung per Gerichtsbeschluss rückgängig

VON MARTIN SPIESS

Der vergangene Dienstag war ein bewegter Tag für Corny Littmann. Am Mittag hatte ihn der Aufsichtsrat des FC St. Pauli einstimmig des Präsidentenamtes enthoben. Etwa neun Stunden lang war Littmann nur noch der Ex-Präsident des Kiezclubs. Am späten Abend dann gab das Hamburger Landgericht seinem Antrag auf einstweilige Verfügung Recht und rehabilitierte ihn in Amt und Würden.

Diese Entscheidung ist der vorläufige Höhepunkt einer Schlammschlacht, die den Verein seit Ende Februar in Atem hält. Damals hatte Littmann noch von sich aus seinen Rücktritt vom Posten des Präsidenten für Ende März bekannt gegeben. „Wir haben in den vergangenen Monaten die Gewissheit erhalten, dass der Aufsichtsrat dieses Präsidium nicht will“, sagte er seinerzeit und kündigte eine Mitgliederversammlung für den 25. März an. Am 26. März wollte er zurücktreten – was den Aufsichtsrat vermuten ließ, Littmann wolle gar nicht zurücktreten, sondern die Mitgliederversammlung nutzen, um den Aufsichtsrat zu stürzen.

Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Littmann und dem Aufsichtsrat war vor allem der Neubau des Stadions am Millerntor. Seit Dezember klafft an der Südtribüne eine große Baulücke und angeblich soll der Wiederaufbau noch nicht in trockenen Tüchern sein. Laut dem Hamburger Abendblatt war das Geld, das die Holsten-Brauerei für den Neubau an den FC St. Pauli gezahlt hatte, für andere Dinge verwendet worden – etwa für den Transfer des Abwehrspielers Vivaldo Nascimento. Der Aufsichtsrat hatte außerdem kritisiert, dass durch den Wegfall der Südtribüne Einnahmen verloren gingen. „Drei Monate nach dem Abriss sind noch nicht alle Verträge fixiert“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Michael Burmester. Littmann wies die Vorwürfe zurück. „Es ist absurd mir vorzuwerfen, ich sei unfähig zur Geschäftsführung“, sagte er. Keiner seiner Vorgänger habe von der Stadt einen Zuschuss bekommen, außerdem gebe es fixe Verträge. „Ich bin ehrenamtlicher Präsident und führe seit 20 Jahren erfolgreich mehrere Betriebe in der Hansestadt“, sagte Littmann, der in Hamburg das Schmidt Theater und das Schmidts Tivoli leitet.

Um Littmanns Abgang zu beschleunigen, präsentierte der Aufsichtsrat Anfang März ein neues Präsidium. Präsident sollte der Hamburger Unternehmer Stefan Orth sein, als dessen Stellvertreter waren der ehemalige St. Pauli-Spieler Carsten Pröpper, Andreas Wasilewski und Wolfgang Helbing vorgesehen. Das neue Präsidium sollte noch vor der Mitgliederversammlung mit seiner Arbeit beginnen. Aufsichtsratsmitglied Michael Burmester sagte, er habe das alte Präsidium um Corny Littmann um Kooperation gebeten: „Bitte tretet zurück, wir haben ein neues Präsidium.“ Littmann jedoch habe nicht reagiert. Am vergangenen Dienstag dann setzte der Aufsichtsrat Littmann ab.

Gestern sagte Littmann, er sei jetzt um eine Schlichtung im Sinne des Vereins bemüht. Ob es dazu kommt, ist allerdings fraglich. Mit Spannung wird die Pressekonferenz Littmanns am morgigen Freitag erwartet. Am kommenden Montag sehen sich der Aufsichtsrat und Littmann vor Gericht.

Und dann ist da vor allem die Mitgliederversammlung am 25. März. Unter den St.-Pauli-Anhängern darf Littmann mit einiger Unterstützung rechnen: Es liegen bereits acht Anträge vor, die die Abwahl des Aufsichtsrats fordern. Aufsichtsratmitglied Burmester sieht der Mitgliederversammlung denn auch mit gemischten Gefühlen entgegen. „Ich hoffe, dass es eine Veranstaltung wird, auf der auch Argumente zählen“, sagte er. Vereinssprecher Christian Bönig indes sieht die ganze Zusammenkunft derzeit gar noch auf wackligen Beinen: Darauf, dass die Mitgliederversammlung überhaupt stattfindet, sagt er, „würde ich nicht mal wetten“.