Gedanken über die Zeit danach

RAZZIA Die Kieler Bildungsministerin steht unter Betrugsverdacht – doch die SPD-geführte Regierung steht weiter zu Waltraud Wende

„Auch für Minister gilt die Unschuldsvermutung“, sagt SPD-Ministerpräsident Albig

AUS KIEL ESTHER GEISSLINGER

Hat sie betrogen und bestochen? Einen entsprechenden „Anfangsverdacht“ hegt die Staatsanwaltschaft Kiel gegen Waltraud Wende, parteilose Ministerin für Bildung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein. Anfang der Woche klopfte die Polizei an die Türen des Bildungsministeriums und der Staatskanzlei in Kiel, auch Wendes Privat- und Arbeitsräume in Flensburg, Kiel und Berlin wurden durchsucht.

Die Beamten nahmen Akten mit, in denen es um Wendes Verhalten vor Antritt des Kabinettspostens vor zwei Jahren geht. Hat sie einem damaligen Mitarbeiter einen Gefallen versprochen, um sich eine Rückkehroption an die Universität Flensburg zu verschaffen? Seit Monaten steht Wende wegen der Affäre in der Kritik, entsprechend hoch ist der politische Druck auf die Germanistin. Bei einer Krisensitzung einigten sich die Spitzen der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und der Minderheitenpartei SSW aber darauf, Wende weiter zu stützen. Vor allem Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hat Wende, die er persönlich in sein Kabinett holte, bei aller Kritik stets den Rücken gestärkt. Jetzt betont er: „Auch für Minister gilt die Unschuldsvermutung.“

Bereits klar ist aber, dass die Präsidentin der Universität Flensburg sich vor dem Wechsel in die Politik ausführliche Gedanken um die Zeit danach machte. Sie verlangte und erhielt die Zusage für eine üppig ausgestattete Professorenstelle in Flensburg, die sie nach einem bezahlten „Sabbatjahr“ antreten wollte.

Für Albig war stets normal, dass sich eine politische Quereinsteigerin um die Rückkehr in den Wissenschaftsbetrieb kümmern muss. Nun aber prüft die Staatsanwaltschaft, ob Wende dabei unrechtmäßige Mittel anwandte. Schon länger steht der Vorwurf im Raum, dass die designierte Ministerin Druck auf das Kollegium der Uni ausübte. In den vergangenen Monaten musste Wende sich mit dem Verdacht auseinandersetzen, sie wolle mit einem Gesetz zur Lehrerbildung den Uni-Standort Flensburg auf Kosten von Kiel stärken.

Strafrechtlich relevant ist aber der Vorwurf der Bestechung: Der damalige Kanzler der Universität, Frank Kupfer, bedankt sich in einem Brief für die „Einbeziehung meiner Person“ in die Neuwahl, die er dann auch gewann. Hinzu kommt der Verdacht, dass Wende einem Rechtsgutachter, der die juristische Möglichkeit der Rückkehr an die Uni prüfen sollte, falsche Tatsachen erzählt und damit betrogen hat. Wende erklärt, dies sei unabsichtlich geschehen. Sie hat bereits vor Monaten auf die Rückkehroption verzichtet. Ministerin will sie bleiben: „Die Arbeit macht mir Spaß“, teilte sie nach den Durchsuchungen mit.

Ob das allein reicht, bezweifelt vor allem die Opposition im Kieler Landtag. Es sei „unabdingbar“, dass Wende ihr Amt ruhen lasse, bis die Vorwürfe geklärt seien, sagt Reimer Böge, Landesvorsitzender der CDU. Und Wolfgang Kubicki (FDP) sekundierte: „Bei jeder Abiturprüfung wird ein Schüler, bei dem der Verdacht der Täuschung besteht, vom weiteren Verfahren ausgeschlossen.“