SPRECHEN IM STROHBASSREGISTER IST OUT
: Alte Türen knarren

OPHELIA ABELER

In Los Angeles gibt es wahrscheinlich mehr Yogalehrer, Ernährungsberater, Stylisten, Schönheitschirurgen und Coaches als Filmschaffende. Wer in letzter Zeit aber richtig viel zu tun haben dürfte, sind Logopäden, die sich hier, weil es weniger nach Krankheit klingt, gern „vocal coaches“ nennen. Denn das „vocal fry“, das sich in den letzten Jahren epidemisch unter jungen Frauen ausgebreitet hat und bei dem die Stimme klingt wie eine alte Tür, entpuppte sich in einer kürzlich publizierten Studie als karriereschädigend.

Es handelt sich um das Sprechen im Strohbassregister, auch „creaky voice“ und auf Deutsch „Knarren“ genannt. „Frying“ ist die neue Marotte nach „Uptalking“, dem Heben der Stimme am Satzende, obwohl gerade eine Aussage formuliert wird und keine Frage. Prominente alte Türen sind Zooey Deschanel, Katy Perry und die Kardashians, während Lena Dunham gar „The frying voice of her generation“ genannt wird. In der deutschen Filmfassung ist das Sprechen im Strohbassregister zum Glück kaum verbreitet. Vielleicht liegt es daran, dass US-Spielfilme und Serien nach wie vor synchronisiert werden oder die deutsche Sprache aufgrund phonetischer Charakteristika dafür ungeeignet ist.

Öl für Britney

Trotzdem kennt man das Phänomen, das mit Britney Spears’ Smashhit „Oops! … I did it again“ im Jahr 2000 seinen Anfang nahm. Man hätte ihr am liebsten einen Liter Öl in den Hals gegossen. Und US-Touristinnen mit „vocal fry“ sind aus jedem deutschen Stimmengewirr herauszuhören, nicht nur, weil sie eine andere Sprache sprechen.

In der Sprachstudie wurde 800 Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts derselbe Satz, von verschiedenen Männern und Frauen gesprochen, vorgespielt, jeweils einmal im normalen Stimmregister, einmal mit knarrendem Ausgang. Der Satz lautete: „Thank you for considering me for this opportunity.“ Seine Sprecher bedankten sich dafür, zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Mehr als 80 Prozent der Testpersonen empfanden die knarrend vorgetragene Aussage als unengagiert und wenig vertrauenerweckend. Sie stimmten dafür, der natürlich sprechenden Person den Job zu geben.

Männern wurde der „vocal fry“ eher nachgesehen. Am ungnädigsten waren Frauen knarrenden Frauen gegenüber, auch was die Einschätzung von Attraktivität und Bildung auf Basis der Stimme angeht.

Warum knarren zwei Drittel der US-Collegestudentinnen? Wenn es für die Redewendung „gerade erst vom Baum gestiegen“ als Synonym für „unkultiviert“ ein Pendant im Amerikanischen gibt, lautet es „just walked out of the mall“. Und wer sich vorzugsweise in Malls aufhält –„Valleygirls“ –, auf sie und ihre Sprechweise schaut die Lehrer- und Arbeitgebergeneration herab. Wenn sich nun aber Codes verschieben, geht dies gerade an der älteren Generation, die die Codes einst etabliert hat, vorbei, oder sie will es nicht wahrhaben.

Ist in Tom Wolfes Roman „Ich bin Charlotte Simmons“ (2004) die Titelgebende permanent damit beschäftigt, sich ihre fragende Stimmführung abzugewöhnen, weil ihre Sprechweise am College als provinziell und sie selbst als unsicher verspottet wird, gilt das Erzählen im fragenden Ton unter jungen Frauen gegenwärtig als Kommunikationstechnik, die die anderen einbindet – in etwa so wie das britische „Isn’t it?“.

Gerade im hierarchischen Gefälle innerhalb der Studentenverbindungen ist die fragende Ansage ein übliches sanftes Druckmittel. „Und alle nehmen an der Versammlung teil?“ heißt so viel wie: Wehe, eine fehlt! Was einmal „Valleyspeak“ war, hat sich also inzwischen als Duktus an Colleges etabliert.

Auch die creaky voice dient dazu, Gemeinsamkeiten mit den Peers hervorzuheben und sich von anderen abzugrenzen. Bei den Kardashians klingen die knarrend beendeten Sätze so, als wäre ihnen vor grenzenloser Langeweile die Luft ausgegangen. Zooey Deschanel suggeriert Bodenständigkeit. Aber Comedians und Blogger machen sich gnadenlos über die creaky voices her, junge Mädchen rufen in Youtube-Videos dazu auf, mit dem Verstellen der Stimme aufzuhören. Und Hollywoods Logopäden verlinken auf ihren Webseiten zu Youtube-Videos mit knarrenden Prominenten.

„Frying ab Sekunde 6. Wenn Sie das von sich selbst kennen, lassen Sie sich einen Termin geben.“ Hoffentlich, hoffentlich gibt es bald eine wirksame Therapie.