Vogelschützer machen viel Wind

Anfang der Woche entschied der Senat: Der Schutz zweier Rotmilan-Brutpaare ist wichtiger als der Bau des ersten Berliner Windrads. Doch längst nicht alle Umweltschützer teilen diese Auffassung

VON CHRISTINA HEBEL

Windrad oder Rotmilan? Diese Frage hat der Senat entschieden – zugunsten zweier Brutpaare des geschützten Greifvogels in Pankow. Dass Berlin damit auf sein erster Windrad überhaupt verzichten muss, stört die Verwaltung wenig. Nicht nur in Brandenburg haben die Ornithologen oft das letzte Wort, sondern auch in Berlin.

Seit gestern aber weiß man: Das Gutachten des Naturschutzbunds Nabu, auf das sich der Senat bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber den potenziellen Windradbetreibern beruft, ist unter Umweltschützern nicht unumstritten. Andreas Jarfe, BUND-Landesgeschäftsführer, sieht jedenfalls keinen expliziten Zusammenhang zwischen Windrad und einer akuten Gefährdung des Rotmilans: „Die Population des Greifvogels geht auch in Gebieten ohne Windräder zurück.“ Deshalb müsse man abwägen, wie wahrscheinlich es sei, dass die Vögel in den Bereich des Windrads fliegen würden. „Einen 5-Kilometer-Radius zu fordern, ist eine extreme Auslegung des Gesetzes und einzigartig in Deutschland.“ Besonders absurd: In Brandenburg drehen sich in 3 Kilometern Entfernung die nächsten Windräder.

Im Gegensatz zu Jarfe, der seinen Standpunkt gestern auf einem gemeinsamen Pressegespräch mit SPD- und Linkspartei- Abgeordneten aus der BVV Pankow und dem Abgeordnetenhaus vorgestellt hat, ist für Nabu-Gutachter Rainer Altenkamp der Rotmilan stark gefährdet. „Der Greifvogel ist in Berlin vom Aussterben bedroht. Es gibt nur noch zwei Paare“, sagt der Vizevorstandschef des Naturschutzbunds. Die Greifvögel, so Altenkamp, brüten im Bucher Forst, nahe der Schönerlinder Straße am Stadtrand von Pankow.

An dieser Stelle will die Umweltplan Projekt GmbH auf einem 3.000 Quadratmeter großen Gewerbegebiet zwischen den Autobahnen 10 und 114 das 150 Meter hohe Windrad mit einer Leistung von zwei Megawatt aufstellen. Altenkamp, Verfasser der Studie „Abstandskriterien für Windkraftanlagen in Berlin“ im Auftrag der Umweltverwaltung, lehnt dies strikt ab. Seine Begründung: Die Anlage würde direkt im 5 Kilometer weiten Rotmilan-Aktionsradius stehen. „Damit wird der Tod der Greifvögel in Kauf genommen, denn sie sind besonders von Totfunden in Windradparks betroffen.“ Auf diese Argumentation stützt sich unter anderem auch der Senat in seinem Ablehnungsentwurf.

Was aber nutzt es dem Milan, wenn er nicht einem Berliner, sondern einem Brandenburger Windrad zum Opfer fällt? „Die Verwertung von Grundstücken ist Landessache“, sagt dazu Petra Rohland, Sprecherin von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer, der die oberste Naturschutzbehörde untersteht. „Was in Brandenburg möglich ist, kann bei uns anders aussehen“, sagt Rohland. Ihre Verwaltung lehnt das Windrad nicht nur wegen der Rotmilane ab, sondern auch wegen der Gefährdung anderer Greifvögel sowie der dort beheimateten Wasservögel.

„Der Fall ist sehr ärgerlich und schwer zu verstehen“, sagt Frank Vach, Mitinitiator der Bürgerwindenergieanlage. Bisher seien etwa 40.000 Euro in das Projekt investiert worden. Bis Ende März wird er Einspruch einreichen. „Notfalls klagen wir vor dem Verwaltungsgericht.“