Eisbären begehen Jubiläum

EISHOCKEY Als Stasiclub verschrien, sind die Eisbären heute im Herzen der Berliner angekommen. Jetzt feiert der Verein seinen sechzigsten Geburtstag

Statt die Vergangenheit zu verleugnen, bezog man sich nun stolz auf sie

Am Wochenende feiern die Eisbären Berlin ihren 60. Geburtstag mit einem Jubiläumsturnier. Aber ist der Verein wirklich so alt, wie er behauptet? Unter dem Namen Eisbären firmiert er erst seit 1992; das erste Spiel bestritt die Sportgemeinschaft Deutsche Volkspolizei, aus der der Verein hervorging, bereits 1951. Wieso also wird gerade jetzt gefeiert?

„Das ist natürlich etwas willkürlich“, sagt André Haase – einer, der es wissen muss. Immerhin hat er an mehreren Büchern über die Geschichte des Vereins und generell über Eishockey in Berlin mitgeschrieben. Vor zehn Jahren hätten die Fans das 50. Jubiläum ihres Vereins gefeiert, erzählt er, und sich dabei an der Gründung des Sportclubs Dynamo 1954 orientiert, denn immerhin hieß der Ostberliner Verein fast vierzig Jahre so, bis dann die Mauer fiel.

Die Fans der Eisbären kennt Haase nur zu gut. Er selbst ist einer, und das seit bald vierzig Jahren. Irgendwann Mitte, Ende der Siebziger hatte sein Vater ihn zu einem Spiel des SC Dynamo ins Sportforum Hohenschönhausen mitgeschleppt und er war sofort Feuer und Flamme. „Ich fand den Sport schon immer attraktiver als Fußball“, erinnert er sich. Außerdem spielte der Verein ganz im Gegensatz zum BFC Dynamo im Fußball regelmäßig im Europapokal, und so bekam man Teams aus Ländern zu sehen, die man sonst meist nur mit dem Finger auf der Landkarte bereisen konnte.

Es waren die großen Jahre des Eishockeyvereins SC Dynamo. Zwölf Meistertitel holte er zwischen 1976 und 1988. Nur ein einziges Mal, 1981, lag der ewige Konkurrent SG Dynamo Weißwasser vor den Berlinern. Ohne den Europapokal wäre es wohl etwas eintönig geworden bei den Spielen im Sportforum Hohenschönhausen, denn mit lediglich zwei Teams aus Berlin und Weißwasser war die DDR-Oberliga die wohl kleinste Liga der Welt. Eishockey galt eben nicht als förderungswürdig bei der streng auf internationale Erfolge ausgerichteten Sportführung der DDR. Und wäre Stasichef Mielke nicht ein ausgesprochener Eishockeyfan gewesen, hätte es im Osten wohl gar keine Liga auf professionellem Niveau gegeben.

Tatsächlich waren die Erfolge des SC Dynamo im Europapokal überschaubar. Ein einziges Mal, in der Saison 1983/84, als unter anderem HIFK Helsinki und der Stockholmer Verein Djurgårdens IF besiegt wurden, sprang ein dritter Platz heraus. Wenig später dann, als die Mauer fiel, wurde ohnehin alles anders.

Dabei gelang es dem Verein, der mittlerweile Eishockeyclub (EHC) Dynamo hieß, deutlich besser mit den neuen kapitalistischen Verhältnissen umzugehen, als etwa den ostdeutschen Fußballclubs oder auch der Konkurrenz aus Weißwasser, die sich 1996 aus der Deutschen Eishockeyliga (DEL) zurückzog. Dennoch gehören die Lausitzer Füchse, wie der SG Dynamo Weißwasser inzwischen heißt, zu den drei Teams, die die Berliner zum Jubiläumsturnier am kommenden Wochenende im Sportforum Hohenschönhausen eingeladen haben. Die langen Jahre allein zu zweit verbinden halt.

Doch auch in Berlin lief längst nicht alles reibungslos. Gleich nach der ersten Saison stieg der EHC Dynamo aus der Bundesliga ab und auch wirtschaftlich geriet der Verein in die Schieflage. Daran änderten auch der Wiederaufstieg und die Umbenennung in EHC Eisbären Berlin wenig. Die war vor allem damit begründet worden, dass das „Dynamo“ im Namen des Vereins, das zu DDR-Zeiten die Nähe zu Stasi und Polizei hervorhob, potenzielle Sponsoren abschrecken würde. „Es gab damals ein regelrechtes Dynamo-Verbot von dem auch alles betroffen war, was irgendwie mit der DDR zu tun hatte“, erinnert sich Haase.

Richtig geändert habe sich das alles erst, als die amerikanische Anschutz-Gruppe eingestiegen ist, sagt Haase. Statt die Vergangenheit zu verleugnen, bezog man sich nun stolz auf sie, und auch sonst ging man neue Wege. Als der neue Alleingesellschafter 1999 bei den Eisbären einstieg, hatte der Verein über Jahre hinweg immer wieder am Rande der Insolvenz gestanden. Nun machte er sich umgehend daran, die Schulden in Höhe von 16 Millionen Euro zu tilgen und die Eisbären auf finanziell gesunde Füße zu stellen.

Der sportliche Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. 2005 holte der Verein seinen ersten von mittlerweile sieben Meistertiteln in der Deutschen Eishockeyliga, 2010 dazu noch die European Trophy. Fast noch wichtiger erscheint jedoch die Tatsache, dass die Eisbären inzwischen im Herzen Berlins angekommen sind. Aus dem ehemaligen Ostclub mit Stasiimage ist ein Verein geworden, zu dem auch ganz selbstverständlich Menschen aus dem Westteil der Stadt gehen. Neben den Erfolgen in der Liga dürfte es vor allem die Atmosphäre bei den Spielen in der Arena am Ostbahnhof sein, in der das Team seit dem Umzug aus dem Wellblechpalast 2008 seine Heimspiele austrägt, die die Menschen anlockt. Mit über 14.000 Zuschauern haben die Eisbären heute nach dem SC Bern den zweithöchsten Zuschauerschnitt in ganz Europa.

Nur das Sportliche will so gar nicht zum runden Jahrestag passen. Mit dem achten Platz in der regulären Saison und dem Ausscheiden in den Pre-Playoffs haben die Eisbären ihre schlechteste Spielzeit seit sieben Jahren hingelegt. In die Champions Hockey League ist man unlängst auch mit zwei Niederlagen gestartet. Möglicherweise geben ja die Jubiläumsfeierlichkeiten dem Team den nötigen Motivationsschub. JAN TÖLVA