Ein Gefühl für die Stadt

BE KLAUS, BE BERLIN

Wirklich unberechenbar wirkte Klaus Wowereit nie

Am Ende bleiben zwei Worte: be Berlin. Mit diesem Slogan des Tourismusmarketings wird die Ära Wowereit für immer verbunden sein. Es war der Mann aus Tempelhof, der knallharte Wirtschaftsförderung und Sparpolitik in ein lässiges Lebensgefühl zu verpacken verstand. Bald nach Wowereits Amtsantritt war es geboren, das Image des jungen Berlin, Hauptstadt der Kreativen, Heimat der Unkonventionellen, Hort der Toleranz und freien Entfaltung. „Anders“ war Berlin natürlich auch schon vorher, und weder die Kultur- noch die Alternativszene brauchte einen „coolen“ Bürgermeister, um zu gedeihen. Wowereit schaffte es aber, der Stadt, die noch knietief im Bankenskandal und dem Diepgen-Momper-Filz steckte, ein neues, flottes Etikett zu verpassen. Eins, das auch der Wirtschaft schmeckte und Touristen anzog.

Die Strategie hatte er vermutlich bei Tony Blair abgeschaut: Das „New Labour“ des britischen Sozialdemokraten verhieß Aufbruch. Im „Cool Britannia“ blühten Mitte der Neunziger Popmusik, bildende Kunst und Theater – und halfen als „weiche“ Faktoren, die Wirtschaft anzukurbeln.

Analog war an der Spree nach dem Jahrtausendwechsel bald viel von Kreativwirtschaft zu hören, von Start-ups, Gründerzentren, Modelabels. Berlin, die schluffige Metropole wider Willen, mischte jetzt ganz vorne mit im internationalen Wettbewerb. Es wurde schneller, härter. Und schnieker. Ein bisschen schrill blieb es – dafür sorgte der offen schwule Bürgermeister auch selbst mal mit einem Schluck Champagner aus dem Damenpumps. Aber wirklich unberechenbar – wie Londons OB Boris Johnson – wirkte Wowereit nie.

Besonders bei den Touristen kommt das „neue“ Berlin super an – bis heute. „Be Berlin“, dieses oft belächelte, in Wahrheit geniale Standortmarkteting-Motto ist mehr als nur ein Spruch. Es ist das Versprechen, ein Teil dieser Stadt zu werden. Komm her, hier kannst du sein – egal, wer du bist. Der Einladung folgten nicht nur Partyhopper und Lebenskünstler. Sondern auch Leute, die ob ihrer Normalität immer ein wenig eingeschüchtert waren im wilden Berlin. Schwäbische Juristen, rheinische Abgeordnete, bayerische Manager – auch sie sind jetzt Teil dieser Stadt, die dank Wowereit gezähmter, wirtschaftsgängiger, mainstreamkompatibler geworden ist.

Be international – den entsprechenden Schubs in Richtung Metropolenwerdung hat Wowereit der Stadt gegeben. Sein Nachfolger muss sich darum kümmern, auch die Schattenseiten wie Mietenexplosion, Verdrängung, Clubsterben und Ausdünnung der Subkultur in den Griff zu bekommen. NINA APIN