TUI reist übern Kanal

VON MALTE KREUTZFELDT

Großfusion in der Reisebranche: Die Nummer eins in Europa, der ertragsschwache TUI-Konzern, schließt sich mit dem kleineren, aber hochprofitablen britischen Konkurrenten First Choice zusammen. Das bestätigte TUI-Chef Michael Frenzel gestern nach einer unplanmäßigen Aufsichtsratssitzung, die bis in die Nacht zum Montag hinein dauerte. „Es entsteht die größte touristische Plattform weltweit“, verkündete Frenzel.

Einen Partner, der Gewinn macht, kann die TUI derzeit gut gebrauchen: Im vergangenen Jahr ist das Unternehmen tief in die roten Zahlen gerutscht. Während der Konzern 2005 noch einen Gewinn von 500 Millionen Euro verzeichnet hatte, wies die gestern vorgestellte Konzernbilanz für 2006 einen Verlust von knapp 850 Millionen Euro aus. Wichtigste Gründe dafür waren Wertabschreibungen in der Touristikbranche und schlechte Geschäfte in der Frachtschifffahrt.

Durch die Fusion mit First Choice entsteht eine neues Unternehmen mit dem Namen TUI Travel, das an der Londoner Börse notiert wird. TUI soll daran 51 Prozent halten, First Choice 49 Prozent. In das neue Unternehmen bringt TUI nur die Fluglinie, die Reiseveranstalter und die Betreuungsagenturen in den Urlaubsländern ein, während die TUI-eigenen Hotels, das Kreuzfahrtgeschäft und die Schifffahrtssparte Hapag Lloyd bei der bisherigen TUI verbleiben. Die Börse reagierte begeistert auf die Ankündigung, der TUI-Kurs stieg gestern um 10 Prozent.

Der gemeinsame Umsatz des neuen Unternehmens mit Sitz in London wird sich auf 18 Milliarden Euro belaufen; First Choice verzeichnete im letzten Jahr einen Umsatz von 4 Milliarden Euro. Als Chef ist der bisherige Vorstandsvorsitzende von First Choice, Peter Long, vorgesehen; TUI-Konzernchef Frenzel wird Chairman, was dem Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden entspricht. Die Kartellbehörden und die First-Choice-Aktionäre müssen der Fusion noch zustimmen.

Wie viele Arbeitsplätze durch die Fusion verlorengehen, ist noch offen. Allerdings erwartet Frenzel „Synergieeffekte“ von 146 Millionen Euro – und die kommen vermutlich vor allem durch Stellenstreichungen zustande. Betroffen sein wird nach Konzernangaben überwiegend Großbritannien. Arbeitsplätze in Deutschland seien „nicht direkt“ betroffen.

Trotz dieser interpretationsfähigen Aussage bleibt die Gewerkschaft gelassen. Die Fusion sei „eine durchaus große Chance für den Konzern“, sagte Ver.di-Sprecherin Cornelia Haß der taz. „Der Ansatz der TUI ist überzeugender und vielversprechender als die Outsourcing-Maßnahmen in anderen Reisekonzernen.“

Mit dem Zusammenschluss vergrößert TUI den Vorsprung vor dem Konkurrenten Thomas Cook wieder. Die Nummer zwei der Branche, die aus dem Charterflieger Condor, dem Reiseunternehmen Neckermann und dem britischen Konzern Thomas Cook hervorgegangen war und heute im Besitz von KarstadtQuelle ist, hatte im Februar angekündigt, den britischen Anbieter MyTravel zu übernehmen. Mit einem Umsatz von 12 Milliarden Euro rückte Thomas Cook damit dicht an Marktführer TUI heran. Nun zieht dieser wieder davon. Drittgrößter europäischer Reiseveranstalter bleibt die Rewe-Gruppe, zu der Dertour und ITS gehören.