Kunstrundgang: Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um
Ein Jahr hat die aus Antwerpen stammende Anne-Mie van Kerckhoven im Rahmen ihres DAAD-Stipendium in Berlin verbracht. Auf den ersten Blick scheint es eine Zeit gewesen zu sein, in der sie sich in ihr Inneres zurückgezogen hat. Surreal anmutende kolorierte Zeichnungen und abstrakte auf Acrylglas taumelnde Formen nähren diesen Eindruck. Doch ein riesiger schwarzer Block und ein hoch aufragender Wall drücken die BesucherInnen mit den Rücken an die Wände. Schon bekommt man ohne auf die oft nicht mal Din-A4-großen Zeichnungen näher zu blicken, die Idee, dass es um mehr geht. Im Zentrum von van Kerckhovens Werkgruppe steht tatsächlich die Auseinandersetzung mit Verhältnissen, der von Romantik und Moderne, von Erotik und Feminismus oder der von Raum und Macht. Alles spielt hier ineinander wie im eigentlichen Leben und bleibt undurchschaubar komplex. Oder eben doch interpretierbar bis in den letzten Winkel der Zeichnungen, in denen Zitate von Philosphen wie Spinoza integriert sind, die hier und dort unleserlich mit der malerischen Umgebung verschmelzen, und ganz praktischen erotischen Tipps, etwa wie eine Frau größere Lust empfinden kann, gegenübergestellt werden. Van Kerckhovens Figuren verbiegen sich währenddessen zu Möbeln oder zerfließen zu abstrakten Gebilden. Dabei entstammen sie eigentlich einem Buch über die Darstellung von weiblichen Gottheiten. „Über das Ich – Willkür und Transzendenz“ ist eine faszinierende Werkgruppe, bei der es sich lohnt, ein weiteres Mal angeschaut zu werden. Sie versprüht Erotik, intellektuelle Tiefe und gnadenlose Unruhe. Schade, dass es keinen Katalog gibt, um die Bilder mit nach Hause zu nehmen. Zum Glück hat die Lettre International van Kerckhoven eingeladen, den Titel der aktuellen Ausgabe zu gestalten. Weitere Bilder finden sich im Inneren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen