Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne

LANDWIRTSCHAFT Große Landwirtschaftsprojekte in Afrika bedrohen die Ernährung der Bevölkerung, kritisiert die Organisation Oxfam. Entwicklungsministerium unterstützt die neuen staatlich-privaten Kooperationen

300 Millionen Euro hat Deutschland für neue Agrarprojekte bisher zugesagt

VON HANNES KOCH

BERLIN taz | Von „faktischer Enteignung der einheimischen Bevölkerung“ spricht Oxfam-Mitarbeiter David Hachfeld, wenn er über den Anbau von Zuckerrohr im ostafrikanischen Staat Malawi berichtet. Dort habe der südafrikanisch-britische Konzern Illovo riesige Plantagen angelegt – weshalb die traditionellen Bauern das Land zum Teil nicht mehr nutzen könnten. In einer neuen Studie kritisiert die Entwicklungsorganisation Oxfam die großen staatlich-privaten Agrarprojekte in Afrika, die auch die Bundesregierung unterstützt.

Nach der weltweiten Hungerkrise ab 2007 stiegen die Investitionen in die Landwirtschaft der armen Staaten wieder an. Dabei wurde ein neuer Typ von Agrarprojekten entwickelt: Malawi, Tansania, Burkina Faso und andere Länder stellten riesige Flächen zur Verfügung, auf denen westliche Konzerne mit staatlicher Unterstützung Nahrungsmittel produzieren. Diese öffentlich-privaten Kooperationsvorhaben – gern „Public Private Partnership“ (PPP) genannt – unterstützt auch das Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Deutschland ist Teil der Neuen Allianz für Ernährungssicherung, die private Agrarinvestitionen fördert. Den beteiligten afrikanischen Staaten hat die Bundesregierung bisher rund 300 Millionen Euro Entwicklungshilfe für Landwirtschaftsprojekte zugesagt.

Für ihre bislang unveröffentlichte Studie hat Oxfam unter anderem Malawi untersucht. Ergebnis: Die Großlandwirtschaft verbessert die Ernährungssituation der Bevölkerung nicht, sondern droht sie zu verschlechtern. Traditionell würden Dorfbewohner ihr Vieh auf Gemeindeland weiden lassen und dort auch Ackerbau betreiben. Dieses Land würden nun zum Teil die westlichen Konzerne beanspruchen, und oft erhielten die Dorfbewohner kaum Entschädigungen.

Im Falle des Zuckervertragsanbaus in Malawi kämpfen die kleinen Privatbauern, die im Umkreis der großen Anlage arbeiten, zudem mit dem Problem, dass sie ihr Zuckerrohr nicht immer wie vereinbart in der Raffinerie zur Verarbeitung abgeben können. Mitunter würden den Bauern erhebliche Gebühren abverlangt, die ihre Einnahmen schrumpfen lassen, so Hachfeld. „Das deutet darauf hin, dass die Geschäfte in der Praxis häufig nicht auf faire Art ablaufen“, sagt der Oxfam-Mitarbeiter.

Die Entwicklungsorganisation bezweifelt deshalb, dass solche großen Projekte, an denen auch deutsche Unternehmen wie Bayer und BASF teilnehmen, Armut und Unterernährung lindern. Darüber reden die Kritiker auch mit der Bundesregierung. Hachfeld: „Wir fordern das BMZ auf, statt großer staatlich-privater Kooperationen eher die bäuerliche Landwirtschaft zu fördern, die überwiegend die Ernährung der einheimischen Bevölkerung sichert, und mit Kleinbauernorganisationen gemeinsame Projekte zu entwickeln.“

Das BMZ weist die Vorwürfe der Kritiker zurück: „Die Wahrung und die Verbesserung des Zugangs zu Land für Kleinbäuerinnen, Kleinbauern und traditionelle Nutzer ist ein wichtiges Ziel des BMZ.“ Man vergebe Förderung deshalb im Einklang mit den „Leitlinien der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO)“, in denen diese Strategie ebenfalls festgelegt sei. „Besonders wird darauf geachtet, dass alle formellen und informellen Land(nutzungs)rechte anerkannt werden, dass es zu keinen Enteignungen oder Landvertreibungen kommt und dass bei Landpachten die Prinzipien der freien, vorherigen, informierten Zustimmung eingehalten werden“, so das Ministerium. Der Zuckerrohranbau durch Illovo in Malawi sei außerdem ein schlechtes Beispiel, da es sich dabei nicht um ein gefördertes Partnerschaftsprojekt handele.