Mein Tag als Filmstar

Vorbild: Andreas Niedrig, 39, aus Recklinghausen. Vor zehn Jahren belegte er als Neuling beim Hawaii-Ironman den 17. Platz (9.01 Stunden für 3,5 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Fahrrad, 42 Kilometer Laufen). 2001 schaffte er Platz sieben. Im Jahr darauf beendet er seine Karriere als Profisportler. Vor sieben Jahren veröffentlichte Niedrig das Buch „Vom Junkie zum Ironman“; nach einer Kindheit und Jugend als erfolgreicher Sportler (Judo, Schwimmen) wurde er drogenabhängig. Heute lebt Niedrig mit Frau und Tochter im Ruhrgebiet. Der Film: Dramaturgisch etwas angefettet, gewinnt N. im Film „Ironman“ das Gewaltrennen in Hawai – sogar zweimal. Der Film wird u.a. von der Filmstiftung NRW gefördert. Drehorte sind neben Dinslaken, Heimat des Regisseurs Adnan G. Köse, auch Amsterdam und auf Lanzarote. Kinostart: Etwa Frühjahr 2008.

AUS DINSLAKEN ALEXANDER FLORIÉ

Dass ich an etwas Besonderem teilhabe, wusste ich schon beim ersten Treffen mit Andreas Niedrig. Er ist Anfang 40, schlank, fast hager. Drei Jahre lang haben Regisseur Adnan Köse und er am Drehbuch über sein Leben gewerkelt: Die Geschichte eines Mannes, der auf die schiefe Bahn gerät, drogenabhängig wird und es über seine Familie und den Triathlon schafft sein Leben umzukrempeln. „Der Film soll zeigen, was so alles möglich ist,“ sagt Niedrig zu dem Film namens „Ironman“. Und ich darf mitdrehen.

Mein Weg zum Filmstar beginnt am Morgen allerdings mit einiger Verspätung. Ich werde um sechs Uhr wach, soll schon um halb sieben am Set sein. Nach einer Tempodusche, einem Anruf beim Betreuerteam – „bleib mal ganz locker“ – und einer Kamikazefahrt komme ich auf einem Parkplatz in Dinslaken an. Zwei groß gewachsene junge Männer holen gerade ihre Sporttaschen aus dem Auto: „Klar sind wir ein bisschen nervös, so etwas macht man ja nicht jeden Tag – wir haben den Aufruf in der Zeitung gelesen und uns beworben.“ Ich selbst bin über ein Live-Casting in einem Kino zum Filmdarsteller geworden.

Bis auf das Absperrband deutet nur wenig darauf hin, dass hier für ein Millionenbudget ein Film gedreht wird, der spätestens Anfang 2008 weltweit in die Kinos kommen soll. Auf dem Parkplatz begrüßt mich ein schlanker Kerl mit einem Block und vielen Zetteln: „Ich bin der Jan, ich bin hier für die Betreuung zuständig“.

Ein paar Schritte über den Parkplatz sieht es dann nach Dreharbeiten aus. Ein Zelt wurde aufgebaut und zu sehen ist die Silhouette eines Doppeldeckerbusses: „Ich mach hier einfach mal zum Spaß mit“, sagt Doris Dietrich. Sie ist Malerin in einer Dinslakener Künstlerkolonie. Doch das Mitmachen lässt auf sich warten. Viele Komparsen stehen noch in einer Schlange am Eingang des Zeltes, wo Papierbögen ausgelegt sind. Hier müssen alle unterschreiben, dass man auf die persönlichen Bildrechte im Rahmen dieses Filmes verzichtet. Als Rolle schreibe ich „Statist“ auf meinen Bogen – dabei wollte ich eigentlich als Triathlonsportler dabei sein.

Im Inneren des Zeltes sind zwei Friseurinnen damit beschäftigt, die Frauen und Männer auf 1980er Jahre zu stylen. Viele haben sich selbst was mitgebracht: „Den Mantel hab ich mir vom Speicher geholt“, sagt eine Statistin und zeigt auf ihren Trenchcoat. Diejenigen, die nichts Zeitgenössisches dabei haben, müssen sich an den Garderobenständern mit Klamotten einkleiden. Zwei Kostümbildnerinnen helfen bei der Auswahl. Ich habe mir von einem Sporthändler ein giftgrünes Sportdress besorgt und bestehe spielend die Musterung.

In der Maske werden nicht nur den Frauen die Haare gemacht – auch ich muss dran glauben: „Die Männer sahen damals alle aus wie Siegfried und Roy – gepflegt und gut rasiert. Der Bart muss ab“, sagt Friseurin Gabi. Nach sechs Minuten bleibt mir nur noch ein Schnauzer. Nun hoffe ich, dass mich keiner meiner Freunde auf der Leinwand wiederentdeckt.

Endlich geht es los: „Willkommen euch allen bei uns auf dem Set“, sagt Regieassistentin Sarah, „beim Film wird geduzt“. Draußen teilt sie die Läufer ein. Angesichts meines grünen Laufdresses kann ich es gut verschmerzen, dass ich nicht neben Hauptdarsteller Max Riemelt laufen darf. Die Laufstrecke führt durch eine enge Gasse zwischen Gebäuden, Zelt und Doppeldeckerbus zu einem Zieleinlauf mit Tribüne, Stoppuhr, ein paar Fahnen und überklebten Sparkassen-Symbolen. 30 bis 40 Leute bilden das Mittelfeld des Lauffeldes: „Ihr müsst gefächert hintereinander laufen in Zehner-Gruppen,“ erläutert Sarah, „merkt euch genau, wo wer gelaufen ist.“ Die anderen Komparsen verteilen sich als Zuschauer an der Strecke. Seitwärts fährt eine fahrbare Kamera, ein paar hundert Meter weit hinten steht eine Weitwinkelkamera, die die gesamte Fläche einfängt.

„Die Männer sahen damals alle aus wie Siegfried und Roy – gepflegt und gut rasiert. Der Bart muss ab“, sagt Friseurin Gabi

Von der Crew sind nur ein paar Leute zu sehen. Der Nieselregen führt immer wieder zum Abbruch der Laufszene – bei sechs Grad und kurzem Sportdress kein Vergnügen. Per Flüstertüte hallt es immer wieder: „Und wir drehen.“ Wir laufen los, und ich versuche mir zu merken, wie ich gelaufen bin. Beim zweiten Mal ist alles im Kasten und für uns geht es zurück ins Zelt. Danach drei Stunden Warten. Filmen ist eine Geduldsprobe. Die meisten vertreiben sich die Zeit mit Plaudern, Zeitschriften und dem zweiten Frühstück – für jeden gibt‘zwei Brötchen, ein Stück Kuchen und Kaffee.

In der Zwischenzeit ziehe ich mir meine Zivilklamotten an und pirsche zum Filmset, wo eine Laufszene mit Riemelt und fünf weiteren Läufern nachgestellt wird. Die fahrbare Kamera bewegt sich neben Max Riemelt, dem immer wieder von einer Assistentin eine Decke über den Körper gelegt wird, um nicht zu frieren. „Mit dem Adnan, da bin ich zur Schule gegangen“, sagt eine der Schaulustigen, die etwas abseits zusieht. „Der Adnan“ ist Regisseur Adnan Köse, ein kleiner, in sich ruhender Mann, der am Set herumwuselt und den Schauspielern die Dinge erklärt, dabei stets entspannt lächelt. Köse stammt aus Dinslakens Stadtteil Lohberg. In München hat er das Filmhandwerk gelernt und sich an seine Heimatstadt als ideale Location für den Triathlon-Film erinnert: „Die Hilfe der Stadt ist super, und die Menschen gehen super mit“, sagt er später zufrieden in einer Filmpause.

Zwei junge Mädchen nutzen die Chance zum Foto mit Schauspieler Udo Schenk, sogar ein kurzes Gespräch ist möglich: „Dinslaken gefällt mir gut. An einem drehfreien Tag hatte ich mal die Gelegenheit zum Bummel – eine gemütliche Stadt“, meint der Schauspieler, der im Film Niedrigs Vater spielt. Am Nachmittag wird unter einer Brücke der Zusammenbruch von Niedrig während eines Triothlons nachgestellt – immer wieder müssen die Komparsen zusammenströmen zum Ort des Sturzes. Für Riemelt liegt eine schwarze Matte auf dem Boden. Der Mann vom Licht steuert den Sonnenschein aus, später wird das schöne Wetter von prasselndem Regen abgelöst. Uwe Ochsenknecht, der Film-Trainer von Niedrig, wirkt missmutig. Er muss sich immer wieder aufs Neue durch die Menge den Weg zu dem gefallenen Hauptdarsteller bahnen.

Am Ende des Tages kommen alle nochmal im Zielraum zusammen, um den Weltrekord-Triumph von Niedrig zu erleben. „Leise jubeln, bitte“ mahnt Regieassistentin Sarah, nicht richtig klatschen, nur so tun. Und nach ein paar Einstellungen und Umarmungen von Riemelt und Ochsenknecht ist auch diese Nummer im Kasten. Um 18 Uhr packen wir Statisten die Sachen, auch mein Arbeitstag als Läufer und Zuschauer in einem großen Kinofilm ist zu Ende.