ortstermin: rené wellers erste demo
: Der Boxer, das Grillhaus und die Äffchen

In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms

Kann ja mal passieren: Dass eine Böe zwischen die Reihen fährt und das Schild zu Boden fällt. „Stop(t) die Tierversuche jetzt!“ steht darauf, und René Weller, schwarze Lederjacke, dicke Goldkette um den Hals, bückt sich und stemmt dann schnell wieder beide seine Fäuste darauf. Hinter ihm das eiserne Tor, videobewacht, zur Linken ragt ein Giebel über den stabilen Zaun. „Tierhaltung“ sagen die MitarbeiterInnen vom Institut für Hirnforschung der Bremer Universität: Dort hausen die Makaken-Affen, mit denen sie experimentieren. „Tierquälerei“ nennen es die Tierschützer vom „Tierrechtsbund-aktiv“, die an diesem Mittwochmorgen in der Kälte vor dem Eingang eine Reihe bilden. Sie fordern das Ende der Versuche.

René Weller, Ex-Box-Weltmeister im Superfedergewicht, Ex-Europameister im Leichtgewicht, langjähriger Ex-Judomeister, darf in der Mitte stehen. Er wippt in den Turnschuhen, hat die Stirn kraus gezogen, grimmig könnte man das nennen, seine Fäuste liegen nebeneinander. Was kommt jetzt?

Ein Forscher, der zur Arbeit will. „Schwachsinn“, geißelt er den Protest, sagt: „Ich bin kein Tierquäler“, und dass es Grundlagenforschung sei, was er und seine KollegInnen da drinnen mit den Affen machten. „Wer hat euch das Recht dazu gegeben?“, will eine Protestlerin wissen. Der Wissenschaftler antwortet prompt: „Das Gesetz.“

55 Kämpfe hat Weller ausgefochten, 52 Siege davongetragen, 24 davon nach K.O. des Gegners. Das ist alles lange her. Es folgten: eine Goldschmuck-Kollektion, ein paar Rollen in Filmen und Videoclips, der Versuch einer Sänger-Karriere, ein Haus auf Gran Canaria und fünf Jahre Knast wegen Hehlerei, Kokainhandels, Anstiftung zur Urkundenfälschung und unerlaubten Waffenbesitzes. „I am the boss“ steht auf dem Band seines Schlüsselanhängers, „schöne Frauen und schöne Autos liebe ich immer noch“, vertraute Weller der Rhein-Zeitung kurz vor seiner Entlassung 2003 an. Seine letzte CD stellte „der schöne René“ im Bordell vor.

Auch Tiere haben es ihm angetan. „Ich habe selbst welche“, verrät er, fünf Hunde waren es über die Jahre, derzeit tollen ein Hawanese und eine Katze bei ihm herum. „Tierlieb ohne Ende“, sei René, sagt ein Freund aus Boxerzeiten, der in Bremen-Arsten ein Grill-Restaurant betreibt. In dem der Vorsitzende vom Tierrechtsbund-aktiv Stammkunde ist. Den Boxer zur Mahnwache zu bewegen, bedurfte es nicht viel Überzeugung. Es ist die erste Demo in René Wellers Leben. Der Wind reißt ihm das Stoppschild unter den Händen weg, mit einem Schlag fällt es zu Boden. „Ich bin“, sagt Weller, „zu schwach geworden.“Armin Simon