Die kleine Wortkunde[Gartenstadt]

Japans Premierminister Naoto Kan hat sich etwas ausgedacht. Nach Berichten der Nachrichtenagentur jiji.com nimmt er den Vorschlag seines Beraters freudig an, im Landesinneren der Präfektur Fukushima Öko-Städte für 50.000 bis 100.000 Bewohner zu bauen, die wegen der Reaktorkatastrophe evakuiert werden mussten. Die neuen Städte, sagt er, sollten sich nach dem Vorbild der deutschen Gartenstädte richten.

Das hören wir natürlich gern. Denn zunächst weckt der Begriff „Gartenstadt“ Assoziationen, die im krassen Gegensatz dazu stehen, was wir gerade mit Fukushima verbinden. In der zu Gartenstadt passenden Vorstellung wirkt alles grün und unverstrahlt, zufriedene Menschen bearbeiten ihre Vorgärten oder spazieren zufrieden den kurzen Weg zum öffentlichen Nahverkehrsbahnhof entlang. Sie fahren rasch ins nahe Zentrum, und dort muss keiner in seinen Gummistiefeln (selbstverständlich der modischen City-Version) weit zum nächsten 24-Stunden-Supermarkt laufen, in dem sich die agile Bevölkerung mit Bioware eindeckt. Da es sich um Japan handelt, stellen Sie sich doch gleich noch Bilder von blühenden Kirschbäumen vor. Wenn Sie ganz abenteuerlich sein möchten, drehen Sie das Wort einfach um und denken sich lauter kleine Stadtgärten, die zusammen das Bild einer friedlichen Idylle ergeben.

Genau genommen aber hat das Teilwort „Garten“ etwas Abschottendes: Es bedeutet „abgegrenztes Stück Land“ und geht auf den Begriff „Gerte“ zurück, mit dem Zäune für Parzellen geflochten wurden. Der Ursprung von „Stadt“ lautet „Stelle“, Gartenstadt wäre also „umzäunte Stelle“. Auch wenn es drinnen schön erscheint, kann draußen immer noch das nukleare Chaos walten, und über die Tatsache, dass es eine atomare Sperrzone gibt, täuscht eine Gartenstadt nicht hinweg.

Dabei ist die Gartenstadt eine alte Idee aus dem Ende des 19. Jahrhunderts und gar nicht deutsch, wie Kan annimmt, sondern die des Engländers Ebenezer Howard. Er sah in der geometrischen Anlegung dieser Lebens- und Arbeitsräume das Gegengift zur Verslummung existierender Metropolen. In der klassischen Gartenstadt sollte ein Kerngebiet ringförmig von Wohnstädten umgeben sein. Zahlreiche Beispiele wie Lichterfelde in Berlin und Margarethenhöhe in Essen gibt es für die Durchführung hierzulande.

Wo genau die japanischen Gartenstädte gebaut werden können, ist noch nicht bekannt. Doch etwas Tröstendes hat „Gartenstadt Fukushima“ schon, vor allem im Vergleich zu „Super-GAU Fukushima“. NAT