DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Rotz und Wasser

WAS SAGT UNS DAS? Eine junge Youtuberin hört unter Tränen auf. Wie viel muss man im Netz aushalten?

Eine sehr junge Frau mit ausgewascher Zuckerwattefärbung in den langen Haaren vor strohigem Hintergrund. Über 5 Minuten lang erklärt Leda Muir alias Youtube-Sternchen HaiLedaBear ihren Fans unter Tränen und Schluchzen, warum sie Schluss macht. Warum sie nicht mehr weitermachen will, mit ihren Videos auf Youtube, trotz über einer halben Million Fans, obwohl sie mit ihren Videos doch nur habe verbreiten wollen. Youtuben sei ein großer Teil ihres Lebens, sagt Leda Muir verzweifelt. Nun müsse sie aber aufhören.

So meldete sich eben jene Lena Muir, Vloggerin seit ihrem 15.Lebensjahr, Ende vergangener Woche in allen Sozialen Netzwerken ab. Und löste damit bei ihren Fans Trauer aus. Sie könne dem Druck nicht mehr standhalten, sagt Muir in ihrem Abschiedsvideo. Cyberbullying, raue Kommentare, der rumpelige Ton im Netz hat sie vergrault.

Ein Fall wie es tausende gibt. Leute, die keine Lust haben, sich mit Trollen und Hassern herumzuschlagen, verstummen digital, auf ihren Blogs, in Sozialen Netzwerken. Muirs Fall genießt etwas mehr Aufmerksamkeit, weil ihr eben eine Fanbase von über 500.000 wahrscheinlich meist Jugendlichen anhängt. Und doch löst auch dieser Fall mal wieder die ewig gleichen Abwehrreflexe aus: Sowas müsse man eben aushalten, im Netz. Müsse halt ein dickes Fell haben oder es sich zulegen. Aber ist das wirklich so?

Es ist faszinierend, wie schnell viele Menschen im Netz von Null auf Hass aufdrehen. Gerade wer sich digital auch im Bild zeigt, vielleicht sogar so viel Persönliches von sich preis gibt wie Muir, macht sich zur potenziellen Zielscheibe. Was für die Betroffenen umso schlimmer ist, wenn sie auf eine Elterngeneration treffen, die diese virtuelle Welt für abstrakten Unsinn halten, den man einfach ausschalten kann – nicht eingedenk der Tatsache, dass sich ein großer Teil des Lebens, der Bestätigung von Jugendlichen dort abspielen kann.

Ähnlich wie das Internet sich dank Internetgroßkonzernen und Verabschiedung von Netzneutralität zunehmend zentralisiert, obwohl es doch von Grund auf dezentral strukturiert ist, wird immer mehr klar, dass sich dort nicht automatisch ein anständiger Umgangston ausmendelt. Dagegen anzuarbeiten ist schwierig, langwierig und eine Aufgabe, an der alle Netznutzer mitwirken müssten. MLA