Der Doktor Sommer für Europa-Gefrustete

Der europäische Bürgerbeauftragte nimmt Beschwerden gegen EU-Behörden entgegen. Zu wenige Bürger nutzen dies

BERLIN taz ■ Egal, ob Fördergelder aus Brüssel ausbleiben oder eine europäische Institution Informationen verweigert: Wer sich über die EU ärgert, kann sich beschweren. Der Grieche Nikiforos Diamandouros ist europäischer Bürgerbeauftragter und Ansprechpartner für alle, die sich von der EU-Verwaltung ungerecht behandelt fühlen.

Rund 30 Prozent mehr Beschwerden aus Deutschland landeten 2006 auf dem Schreibtisch des Bürgerbeauftragten als noch im Jahr zuvor. 537 waren es im vergangenen Jahr, gegenüber 410 im Vorjahr. Diamandouros führt das nicht etwa auf höheren EU-Frust zurück. Nein, die steigende Zahl von Beschwerden komme daher, dass die Bürger besser informiert seien. Nach Ansicht von Diamandouros ein Fortschritt: „Je mehr Bürger über ihre Rechte Bescheid wissen, desto eher sind die Institutionen legitimiert.“

Trotzdem ist die Zahl der Beschwerden immer noch zu gering. Zumal da viele EU-Bürger mit der Union nicht zufrieden sind. Laut aktuellen Umfragen glaubt mehr als ein Viertel aller Deutschen, dass die Union mehr Nachteile als Vorteile bringt. Der umgekehrten Meinung sind nur knapp über 20 Prozent. Viele Politiker und Organisationen fordern daher, die EU müsse bürgernäher werden. Der Bürgerbeauftragte ist in ein Schritt in diese Richtung.

Der Frust der Bürger ist vielfältig: Ob sich eine Musikschule aus dem Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf über ausbleibende Fördergelder aus Brüssel beschwert oder ein Hamburger Bürger sich trotz anders lautender Auskünfte der Kommission auf die Datenschutzrichtlinie berufen will – alles muss geprüft werden. Am prominentesten derzeit ist die Forderung des Vereins Deutsche Sprache: Dieser forderte, die Internetseiten der jeweiligen EU-Ratspräsidentschaften nicht nur auf Englisch und Französisch, sondern auch auf Deutsch anzubieten. Immerhin sei Deutsch offizielle Arbeitssprache der EU. Selbst die derzeitige Ratspräsidentin Angela Merkel will sich nun für das Thema starkmachen.

Die meisten Beschwerden können nach Angaben von Diamandouros innerhalb eines Jahres geklärt werden. Eine erste Antwort gibt es bereits innerhalb weniger Tage. Manchmal allerdings nur mit dem Verweis auf eine andere Behörde: Der Bürgerbeauftragte ist nur zuständig, wenn es sich um Beschwerden gegen die EU-Behörden handelt. Nicht aber bei Klagen, die sich gegen nationale oder regionale Behörden richten –auch wenn es dabei um EU-Recht geht. So musste Diamandouros etwa die Forderung von spanischen Bürgern abweisen, etwas gegen illegale Immigration zu tun. Er verwies sie an den Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments. Genauso wie in Deutschland gibt es auch auf europäischer Ebene die Möglichkeit, das Parlament aufzufordern, zu einem Thema Stellung zu beziehen. Die meisten Klagen, mit denen Diamandouros zu tun hat, richten sich übrigens gegen die Kommission. Nicht weil diese am wenigsten bürgerfreundlich ist, sondern weil die meisten Bürger mit der Kommission zu tun haben. NICOLE MESSMER