Koch gibt den großen Schweiger

Einer von Michel Friedmans Exleibwächtern soll den Holocaust geleugnet haben. Ministerpräsident äußert sich nicht

WIESBADEN taz ■ Mit der ihm eignen Chuzpe versuchte der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU), sich aus der Debatte zum Thema Rechtsextremisten bei der Polizei herauszuhalten. „Nicht jedes Thema, zu dem sich Friedman äußert, muss eine Reaktion des Ministerpräsidenten nach sich ziehen“, sagte Koch zu dem Vorwurf des jüdischen Publizisten, dass sich der Ministerpräsident bis heute nicht zu den Vorfällen bei den als Bodyguards für Friedman eingesetzten Polizisten geäußert habe.

Dabei waren diese Vorfälle den hessischen Behörden intern offenbar schon seit 2005 bekannt, wie das Magazin Stern heute berichtet. Einer der Personenschützer von Friedman hatte sich verbotenes rechtsextremistisches Liedgut aus dem Netz auf seinen Dienstcomputer heruntergeladen. Ein anderer ließ sich in SS-Uniform ablichten und verteilte „im Namen des Führers“ makabre Urkunden für besondere Verdienste im Personenschutz. Laut Stern soll ein dritter Polizeibeamter im Frühjahr 2005 im Frühstücksraum eines Hotels in Berlin auch noch den Holocaust geleugnet haben.

Ein gegen den heute 42 Jahre alten Beamten eingeleitetes Ermittlungsverfahren der Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Volksverhetzung sei dagegen rasch wieder eingestellt worden. Der Polizist habe den Holocaust schließlich nicht öffentlich geleugnet und sich damit auch nicht strafbar gemacht, habe die Staatsanwaltschaft argumentiert. Eingestellt wurde auch das Verfahren gegen den Musikliebhaber mit einer Passion für das Liedgut der SA. Nur gegen den inzwischen vom Dienst suspendierten Uniformfetischisten laufe noch ein Ermittlungsverfahren, so die Staatsanwaltschaft.

Die Oppositionsparteien SPD und Bündnisgrüne empörte gestern besonders, dass der Holocaust-Leugner zwar als Friedmans Bodyguard abgezogen, danach aber vom Staatsschutz weiterbeschäftigt wurde. Und zwar ausgerechnet in einer Abteilung, die nach untergetauchten Tätern aus der Nazizeit fahndet. Der Mann soll heute Sportausbilder in der Hessischen Polizeischule in Wiesbaden sein. „Es ist unerträglich, dass ein Polizeibeamter, der sich als Rechtsextremist erweist, von der Polizeiführung im Staatsschutz eingesetzt wird und anschließend auch noch junge Polizeibeamte ausbildet“, sagte der innenpolitischen Sprecher der SPD, Günter Rudolph, gestern während einer Sitzung des Innenausschusses im Hessischen Landtag. Ähnlich entrüstet äußerte sich der grüne Innenexperte Jürgen Frömmrich.

Die Oppositionspolitiker machen Landespolizeipräsident Norbert Nedela und den Frankfurter Polizeipräsidenten Achim Thiel für das Decken des Rechtsaußen-Polizisten verantwortlich. Und zusammengestellt habe diese Polizeiführung Innenminister Volker Bouffier (CDU). Der musste gestern Abend auf Antrag der Opposition im Innenausschuss Rede und Antwort stehen. Seine Verteidigungslinie legte er schon am Vormittag offen: Zuständig für das alles sei nicht der Innenminister gewesen, sondern ausschließlich die Staatsanwaltschaft. Und Koch? Hat weiter nichts zu sagen.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT