Satt und sauber reicht nicht aus

Jeder Fünfte pflegt Angehörige, die Mehrheit fühlt sich dabei allein gelassen, zeigt eine neue Pflegestudie

BERLIN taz ■ Jeder fünfte Deutsche hat in seiner Familie einen Pflegefall. Damit sind 4,5 Millionen Menschen pflegebedürftig –doppelt so viel, wie offiziell als Pflegefälle registriert sind und Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen. Der größte Teil der Menschen wird zu Hause betreut, wobei sich zwei Drittel der pflegenden Angehörigen von Staat und Gesellschaft im Stich gelassen fühlen.

Das ergibt eine aktuelle Emnid-Studie, die gestern veröffentlicht wurde. Für die Studie wurden rund 1.000 Pflegende und Gepflegte repräsentativ befragt. In einer zweiten Befragung äußerten sich 1.000 Menschen der Generation 50 plus zu ihren Erwartungen an eine gute Pflege. Ganz oben steht für sie, dass sie nicht nur medizinisch, sondern auch als Mensch betreut werden. Die Mehrheit der Befragten ist aber unzufrieden damit, wie sie diese Kriterien umgesetzt sehen.

Wer mit welchen Symptomen als pflegebedürftig gilt und somit finanzielle Unterstützung erhält, ist eine Frage, die neben der Finanzierung im Zentrum der anstehenden Pflegereform steht. Ein eigens vom Gesundheitsministerium eingesetzter Beirat soll bis zum November 2008 den Pflegebegriff neu definieren.

„Wir gehen davon aus, dass die Pflegeversicherung auch menschliche Betreuung unterstützen soll“, sagte die SPD-Pflegeexpertin Hilde Mattheis zur taz. Eine bessere Pflege koste aber auch mehr Geld. Zurzeit wird die niedrigste Pflegestufe I nur vergeben an Menschen, die mindestens 90 Minuten täglich Hilfe beim Waschen, Anziehen und Einkaufen brauchen. „Der Pflegebegriff ist nur auf körperliche Beschwerden ausgerichtet, das ist ein Riesenproblem“, meint Jens Kaffenberger, vom Sozialverband Deutschlands VdK. „Die Leute wollen auch mal rauskommen aus dem Bett.“ Würdige Pflege koste aber mehr.

Derzeit streiten die Regierungsparteien darüber, wie mehr Geld in die Pflegekassen geleitet werden kann. Während die Union eine einheitliche private Zusatzversicherung von zunächst 6 Euro monatlich vorschreiben will, plant die SPD kurzfristige Beitragserhöhungen. Laut Emnid-Umfrage glauben die meisten Bürger, dass sie als Pflegefall finanziell abhängig werden: 45 Prozent geben an, dass sie auf Hilfe aus der Familie angewiesen wären, ein Drittel der Befragten müsste Sozialhilfe beantragen. Ein Vollzeitpflegeplatz im Heim kostet derzeit durchschnittlich 2.700 Euro pro Monat, die Pflegeversicherung erstattet 1.432 Euro. ALE