Jenseits des Speckgürtels

WALDORFPÄDAGOGIK Der Waldorfkindergarten Wedding e. V. stellt sich dem rauen Charme des Berliner Brunnenviertels. Integration steht hier schon seit 1984 auf dem Programm

„Der Speckgürtel ist nichts für uns. Wir wollten immer im Wedding bleiben“

VON HEIDE REINHÄCKEL

Von Montag bis Donnerstag zieht eine Kinderschar vorbei am S-Bahnhof Gesundbrunnen zur Parklandschaft des Humboldthains. Die Kleinkinder im Gruppenwagen, die größeren Hand in Hand. Ein Bild, das im Brunnenviertel auffällt.

„Jeden Tag außer Freitag sind wir von 9 bis 11 Uhr im Park. Die Erzieher regen die Kinder zur Bewegung an und die Kinder können die Natur in der Großstadt erleben“, erzählt die Erzieherin Irmgard Molina über das Bewegungskonzept des Waldorfkindergartens Wedding e. V.

„Jeden Tag außer Freitag sind wir von 9 bis 11 Uhr im Park. Die Erzieher regen die Kinder zur Bewegung an und die Kinder können die Natur in der Großstadt erleben“, erzählt die Erzieherin Irmgard Molina über das Bewegungskonzept des Waldorfkindergartens Wedding e.V.

„Vor dem Mauerfall waren wir der nördlichste Waldorfkindergarten in Westberlin mit einem Einzugsgebiet bis Tegel. Das hat sich mit der Wende geändert, als zahlreiche Neugründungen im Ostteil der Stadt hinzukamen“, berichtet Thoralf Malur-Dahmen, als Vater ehrenamtlich im Vorstand des Waldorfkindergartenvereins aktiv. „Mitte der 1990er Jahre kam erst einmal ein Einbruch, als viele Eltern wegzogen, der Kindergarten musste kämpfen“, erinnert er sich. Ab 2005 stabilisierte sich die Lage, heute besuchen 41 Kinder im Alter von eineinhalb bis sieben Jahren den Waldorfkindergarten, die von fünf Erziehern und drei Praktikanten in drei verschiedenen Gruppen betreut werden.

Neben der Förderung der Bewegungskompetenz ist ein weiterer Schwerpunkt die Integration von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten oder Behinderungen, für die es eine Fachkraft für Integration gibt. Weiterhin nimmt der Kindergarten an einem Modellprojekt zum Übergang Kindergarten/Schule in Kooperation mit der Waldorfschule Berlin-Mitte teil. Fünf nach dem neuen Berliner Schulgesetz von 2005/2006 schulpflichtige Kinder, die aber noch nicht schulreif sind, werden im Kindergarten als Schulaußenstelle betreut und von einem Waldorflehrer aus der Waldorfschule Berlin-Mitte einmal die Woche unterrichtet. Die Bewohnerstruktur des Brunnenviertels spiegelt sich auch in der Kindergartengruppe wider. „Wir haben Kinder, die außer Deutsch auch Arabisch oder Türkisch sprechen. Neben Eltern, die besonders an Waldorfpädagogik interessiert sind, kommen auch viele Eltern aus der Nachbarschaft“, berichtet Molina.

Die bewusste Auseinandersetzung mit dem rauen Charme des Viertels scheint zum Selbstbild des Kindergartens zu gehören: „Wir wollten nie in den Speckgürtel. Wir wollen ein Weddinger Kindergarten bleiben“, so Molina. Ihr wichtigster Zukunftswunsch? „Ein interkultureller Waldorfkindergarten zu werden.“ Und noch einen weiteren Wunsch hat sie in Zeiten chronischen Fachkräftemangels: „Wir suchen aktuell einen tatkräftigen Erzieher.“ Thoralf Malur-Dahmen wünscht sich grundsätzlich: „Der Beruf des Erziehers sollte mehr wahrgenommen und aufgewertet werden. Diese wichtige Arbeit nimmt die Gesellschaft zumeist nur wahr, wenn sie misslingt.“