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schurians runde weltenAusblick aufs Fußballfeld

„Wenn ich von Anfang an spielen darf, bringe ich auch die Leistung auf dem Platz.“ (Lukas Podolski)

Ich hoffe, L. lebt noch. Er war der erste Leistungssportler in meinem Freundeskreis, schwamm schon als Fünfjähriger, weil es seine Mutter so wollte. Vom Startblock weg trat und schlug er wild um sich, pflügte wie ein Berserker von Beckenrand zu Beckenrand, hinterließ eine Gischtspur. Seine Mutter war stets dabei. Sie wartete auf ihn vor der Schule, brachte ihm Pausenbrot, fuhr ihn zum Training, holte ihn von Feten ab oder vom Übungsraum. Verletzt kutschierte sie L. sogar zur Wohnung seiner ersten großen Liebe; ob sie auch dort wartete? Die Mutter umgab ihn wie das Wasser, er konnte nicht entrinnen, selbst mit den Drogen nicht. Manchmal frage ich mich, was L. heute macht? Seine Mutter starb, er versuchte es mit Methadon, ist er endlich trocken?

Fußballeltern sind anders, nein, nicht etwa weniger verbissen, die Väter jubeln sich ja letztlich selbst zu. Weil sich aber auf Dauer lächerlich macht, wer nicht die Mannschaft, nur den eigenen Nachwuchs sehen kann, so bleiben die egozentrischen Fußballvatis bald weg. Die anderen gehen dafür ganz auf im Sportverein, stehen am Grill, am Kassenhäuschen, hinter der Kuchenplatte, tragen nur noch Trainingsanzug, werden Platzwart. Mein Traumjob.

Aus dem Wohnzimmer auf ein Fußballfeld zu sehen, muss schön sein wie der Meeresblick. Immer ist was zu sehen. Kinder, Altherren. Auch das Abkreiden, Bälle aufpumpen, Rasenmähen und Aschenplatz abziehen, sind ehrwürdige Tätigkeiten für die Gemeinschaft, angenehm wie Süßigkeiten oder Limonade an die E-Jugend zu verkaufen. Das schönste am Platzleben wären mir die Geräusche und Gerüche, im Herbst erdfeucht, im Sommer staubig. Leder, Fett, Duschgel, hell klackernde Stollen, der dumpfe Punch, wenn gegen den Ball getreten wird. Schiedsrichterpfiffe, Rufe, Torjubel.

Ob es noch so ist: Ein Hotel in Bochum warb dereinst für seine Zimmer mit der schönen Zeile „Roomview to Footlfield“. Ich würde dafür einiges springen lassen.

26.3. Mannschaftstraining

Das öffentliche Training der Nationalauswahl in der MSV-Arena am Montag nachmittag ist hingegen kostenlos. Das heißt, nicht ganz: Weil alle 31.500 Eintrittskarten schnell vergriffen waren, blüht jetzt ein Schwarzmarkt mit den Gratiskarten. Ein Volk von Platzwärten will gerne sehen, wenn Hütchen ausgelegt, Bälle verteilt, Gymnastikbänder angelegt werden, wenn die Torleute sich strecken, Abwehr gegen Sturm spielt und ab und an ein hartes alemannisches Kommando durchs Duisburger Stadion hallt. Ich kann das nur zu gut verstehen.CHRISTOPH SCHURIAN

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