AMERICAN PIE
: Umjubelt, aber ohne Vertrag

AMERICAN FOOTBALL Die St. Louis Rams trennen sich vom ersten offen schwulen Profi Michael Sam und prophezeien ihm eine große Zukunft

Mein Weg ist noch nicht zu Ende“, sagte Michael Sam an diesem Sonntag, und es klang fast wie eine Drohung an zukünftige Gegenspieler. Gerade hatten die St. Louis Rams den 24-Jährigen aus ihrem Kader gestrichen. „Michael hat alles perfekt umgesetzt, was wir von ihm verlangt haben“, betonte auch Rams-Trainer Jeff Fisher. „Ich wollte, dass er bleibt. Leider blieb uns bei der endgültigen Zusammenstellung des Teams keine Wahl. Er hat eine große Zukunft in unserer Liga.“

Ein Allerweltsding, könnte man meinen. Doch im Falle von Sam ist die mediale Aufmerksamkeit von vornherein eine ganz andere als üblich. Sam ist der erste offen homosexuelle Footballer der USA. Seitdem er in seinem letzten College-Jahr an die Öffentlichkeit ging und sagte, dass er schwul ist, verfolgt das ganze Land sein Schicksal mit großer Aufmerksamkeit.

So bekam auch die Entscheidung der St. Louis Rams, auf Sam zu verzichten, großes Gewicht. Dabei gehört es zu den Usancen der NFL-Saisonvorbereitung, dass eine Mannschaft auf das übliche Maß von 53 Spielern verkleinert wird. Zuvor hatten die Spieler wochenlang die Möglichkeit, sich für einen Vertrag zu empfehlen. Besonders Rookies, also College-Spieler, die – wie im US-Profisport üblich – im Draft, einem jährlichen Auswahlverfahren, den Vereinen zugeteilt werden, haben einen schweren Stand.

Starke Auftritte in der Vorbereitungsphase überraschten zwar die Experten. Dass Sam nun trotzdem gestrichen wurde, hat einen simplen Grund: Auf der Defensive-End-Position sind die Rams bereits mehr als ausreichend besetzt; seine Freistellung war nur eine unter vielen.

Viele sorgten sich schon um die zukünftige Karriere des großen Talents, als es sich diesen Sommer zum jährlichen Draft anmeldete. Homophobe Vorbehalte und reaktionäres Zaudern seitens der Klub-Führungsetagen wurden befürchtet. „Ich weiß, dass das eine große Sache ist“, erklärte Sam damals. „Ich bin der Erste, vor mir hat sich das niemand getraut.“ Bei den Missouri Tigers selbst wurde Sams Mitteilung übrigens eher gelangweilt aufgenommen. „Ich war erstaunt, wie viele meiner Mitspieler das schon wussten“, erinnert er sich. „Der Zuspruch auch an der Uni war aber einfach überwältigend.“ Die NFL sicherte dem potenziellen Neuling ihre volle Unterstützung zu. „Wir könnten nicht stolzer sein auf Michael. Wir bewundern ihn für seinen Mut, und wir freuen uns, ihn in der NFL willkommen zu heißen.“

Mit Sam war die Hoffnung verbunden, dass der Archetyp des alten, reichen, erzkonservativen Republikaners in vielen Klub-Führungsetagen langsam im Jahr 2014 ankommen würde. Zudem galt Sam als PR-Glücksfall. In den Tagen nach der Bekanntgabe seines Rams-Engagements wurde sein Trikot zum Verkaufsschlager, schnellte auf Platz sechs der Bestseller.

„Dies ist ein großer Tag für unser Land und ein noch größerer Schritt für unsere Gesellschaft“, erklärte US-Präsident Barack Obama damals zur Anstellung Sams. „Ich kann in dieser Liga spielen“, sagte der Umjubelte nach seinem ersten Auftritt im August – nach einem Testspiel gegen die New Orleans Saints. „Das ist meine wichtigste Erkenntnis. Ich war sehr nervös.“

Einfach gemacht wurde es ihm nie. Sam hat es als Erster seiner Familie überhaupt auf eine Hochschule geschafft. In frühester Kindheit sah er einen seiner älteren Brüder an einer Schussverletzung sterben, ein anderer ist seit 1998 vermisst, zwei weitere Brüder sitzen seit Jahren im Gefängnis. All dies war ihm auch ein Antrieb, es zu schaffen, wie er stets betont. „Der Welt mitzuteilen, dass ich schwul bin, ist doch gar nichts im Vergleich zu dem, was ich schon erlebt habe.“

Nun muss er sich über die „Practice Squads“, zehnköpfige Ergänzungsteams jedes NFL-Klubs, für eine neue Anstellung empfehlen. „Michael wird locker ein neues Team finden“, gab ihm sein Kurzzeit-Arbeitgeber noch mit auf den Weg. Auch sein nächstes Trikot wird bestimmt ein Renner werden.

DAVID-EMANUEL DIGILI