Mehr Klimaschutz ohne Atomkraft

Greenpeace legt Plan B zum Klimaschutz vor. Die Kernkraftwerke spielen darin keine Rolle

BERLIN taz ■ Die Ankündigung der Umweltminister ist bei Greenpeace auf Skepsis gestoßen. „Wir freuen uns natürlich, wenn der Klimaschutz auch in den Bundesländern als wichtiges Ziel erkannt wird “, sagte deren Energieexperte Andree Böhling der taz. Allerdings passiere jenseits der Ankündigung bisher zu wenig. „Es sind gerade die südlichen Bundesländer, die den Ausbau der erneuerbaren Energien blockieren.“ Zudem sei ein Reduktionsziel von 30 Prozent nicht ausreichend, um tatsächlich auf Klimaschutz-Kurs zu gehen. Schließlich seien bereits 18 Prozent geschafft, viel davon durch den Zusammenbruch der Industrie in Ostdeutschland. Und seit 1999 stagniere der Kohlendioxid-Ausstoß.

Der Drei-Punkte-Plan

Wie man bis 2020 sogar 40 Prozent CO2 einsparen könnte und dabei gleichzeitig auf Atomkraftwerke verzichten kann, hat die Umweltschutzorganisation nun vom Aachener Ingenieur- und Beratungsunternehmen EUtech ausrechnen lassen. Damit regiert Greenpeace auf eine Aufforderung von Kanzlerin Angela Merkel. „Wer den Ausstieg aus der Atomenergie will, muss ernsthafte Antworten entwickeln, wie wir die Klimaschutzziele erreichen“, hatte Merkel im Februar gesagt. Das hat Greenpeace nun getan. Die drei Kernelemente des gestern vorgestellten Konzepts: Energiesparen, eine Verdreifachung des Anteils der erneuerbaren Energien und der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), also der Nutzung der bei der Stromproduktion aus Kohle und Gas anfallenden Wärme für Heizungen.

Stromfresser aus dem Sortiment

Gerade beim letzten Punkt passiere „seit Jahren nichts“, sagt Böhling. Dabei hat die bisherige Regelung, die durch finanzielle Vergünstigungen für mehr KWK-Anlagen bis 2010 mindestens 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid einspare sollte, ihr Ziel nicht erreicht. Um wie viel die Marke verfehlt wurde, ist noch nicht klar. Fest steht aber, dass eigentlich nun ein neues Gesetz mit verbindlichen Quoten in Kraft treten müsse, sagte Böhling. Doch das werde vom Bundeswirtschaftsministerium blockiert. Deshalb fordert Greenpeace eine KWK-Pflicht bei den geplanten Neubauten von Kohlekraftwerken. Die besonders klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke und Anlagen, die ihre Wärme ungenutzt durch den Schornstein pusten, sollen nicht mehr gebaut werden dürfen. So könnte der Anteil von KWK-Strom von gegenwärtig gut zehn Prozent bis 2020 auf 40 Prozent steigen.

Doch nicht nur KWK-Anlagen spielen der Studie zufolge eine wichtige Rolle im Energiepark der Zukunft. Windkraftanlagen auf hoher See, Gaskraftwerke und Erdwärmeheizungen bergen ein hohes Potenzial, das in den kommenden Jahren genutzt werden müsse, sagte Sigrid Achner, Autorin der Studie. Auf die deutschen Atomkraftwerke könne ganz verzichtet werden. Denn ihr jetziger Anteil von 27 Prozent an der Stromerzeugung könne fast allein durch Energiesparmaßnahmen ausgeglichen werden. Hier will sich Greenpeace aber nicht auf den Verbraucher verlassen, der sich im Laden trotz aller Info-Kampagnen und Aufkleber oft gegen besonders sparsame, aber dafür teurere Geräte entscheidet. Ihm sollen gar keine Stromfresser mehr angeboten werden, sagt Böhling. Erreicht werden soll das durch ein sogenannten Top-Runner-Modell, bei dem das jeweils verbrauchsärmste Gerät den Standard setzt. Wer zu weit darunter liegt, darf seinen Kühlschrank oder Fernseher nicht mehr auf den Markt bringen.

„Das alles ist ambitioniert, aber realistisch“, sagte Böhling. Zur Umsetzung des Konzeptes seien allerdings ein neues KWK-Gesetz, die stärkere Förderung von Windkraftanlagen und die finanzielle Absicherung der Probebohrungen für die ersten 100 Erdwärme-Anlagen nötig. Längere Laufzeiten für Atommeiler oder neue Braunkohlekraftwerke sind für die Einhaltung der Klimaschutzziele hingegen nicht notwendig. „Wer Laufzeitverlängerung für Atomkraft mit Klimaschutz begründet, verdreht die Tatsachen.“ STEPHAN KOSCH