Konsens statt Klartext

AUS BERLIN NICOLE MESSNER

Wochenlang wurde um die Berliner Erklärung gefeilscht, seit gestern nun ist der Text bekannt. Viel Kritik wurde im Vorfeld geäußert: Die einen waren unzufrieden über die geplanten Inhalte des Papiers, die nächsten glaubten, nicht ausreichend Mitspracherecht gehabt zu haben. Nachdem am Donnerstag alle Regierungen die Erklärung erhalten haben, gibt es jetzt nach Angaben aus Regierungskreisen allerdings überwiegend nur noch Zustimmung.

Kritik kam in den letzten Wochen vor allem aus Tschechien. Präsident Vaclav Klaus hatte sogar mit einer frühzeitigen Abreise am Sonntag aus Berlin gedroht. Nach einem Telefonat mit Angela Merkel klingen die Signale aus Prag jetzt aber versöhnlich: „Ich glaube, wir können wirklich zufrieden sein“, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Alexandr Vondra der taz. Lob für die Ratspräsidentschaft gab es auch von der britischen Regierung. Auch wenn die Briten den Entwurf noch nicht kommentieren wollten – genauso wie Frankreich und die Niederlande –, das Vorgehen der Bundesregierung wurde immerhin begrüßt.

Nach den Verhandlungen herrscht nun also Harmonie. Der Preis dafür ist ein Text, der auf klare Festlegungen weitgehend verzichtet. Alle Regierungen mussten Zugeständnisse machen, aber alle sollten am Ende zustimmen können. Der Euro ist trotz Bedenken aus Großbritannien nun drin, dafür konnte London ein Bekenntnis zu weiteren Beitritten heraushandeln. Allerdings wird der Begriff Erweiterung nicht erwähnt, sondern nur ein grundsätzliches Bekenntnis zur „Offenheit“ der Union. Frankreich konnte einen Verweis auf ein „soziales Europa“ ebenfalls nur zum Teil durchsetzen: Die Rede ist jetzt von „Gerechtigkeit und Solidarität“. Die tschechische Regierung hatte sich im Vorfeld dagegen ausgesprochen, die Mitglieder auf eine Lösung der Verfassungskrise bis 2009 zu verpflichten. Das Datum wird nun zwar genannt, im Gegenzug ist aber nur noch die Rede von einer „erneuerten gemeinsamen Grundlage“. Und damit ist man in Prag zufrieden: „Als Erfolg betrachten wir die Tatsache, dass das Wort Verfassung in der Erklärung nicht erhalten ist“, sagte Vondra. In deutschen Regierungskreisen wurde die Erklärung verteidigt: Man habe Wert auf Konzepte und nicht auf Begriffe gelegt. Der Text soll für alle verständlich sein, deshalb der Verzicht auf Begriffe wie etwa Erweiterung.

Eigentlich sollte das Dokument bis zur Verabschiedung am Sonntag geheim bleiben. Ein Regierungssprecher wollte sich nicht zum vorzeitigen Bekanntwerden äußern, gab aber zu: „Wir hätten uns das anders gewünscht.“ Wie aus Regierungskreisen verlautete, soll das Verfahren der bilateralen Gespräche auch bei der Verhandlungen über die EU-Verfassung angewandt werden.

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