Leichenschändung in Mogadischu

In Somalias Hauptstadt ziehen Maskierte bei schweren Kämpfen wieder tote Soldaten durch die Straßen

„So viel Gewalt. Ich weiß nicht, was wir tun sollen, um dem Tod zu entgehen“

NAIROBI taz ■ Maskierte Kämpfer haben am Mittwoch die Leiche eines Soldaten durch die staubigen Straßen Mogadischus gezogen und damit die Erinnerung an die fatale Demütigung der US-Armee von 1993 heraufbeschworen. Die Macht der Bilder war so groß, dass US-Präsident Bill Clinton schließlich die US-Armee aus Somalia abzog. Diesmal ist der geschändete Soldat ein Äthiopier oder ein regierungstreuer Somali, genau konnte das niemand sagen – der Tote wurde noch auf der Straße angezündet. Doch die Angst, dass die seit Wochen zunehmende Gewalt in Mogadischu wie Anfang der 90er-Jahre eskaliert, ist groß. Mindestens 14 Menschen wurden lokalen Journalisten zufolge bei den heftigsten Kämpfen seit Vertreibung der Islamisten Ende Dezember getötet, unter ihnen mehrere Zivilisten.

„So viel Gewalt habe ich hier noch nie gesehen, ich weiß nicht, was wir tun sollen, um dem Tod zu entgehen“, zittert ein Händler, der nahe dem ehemaligen Verteidigungsministerium sein Geschäft hat und aus Angst um sein Leben anonym bleiben will. Hier, wo die Armee der international anerkannte Übergangsregierung von Präsident Abdullahi Jusuf ein Lager unterhält, hatten die Kämpfe am frühen Morgen kurz vor Sonnenaufgang begonnen. Die Maskierten, vermutlich Sympathisanten der Islamisten, eröffneten mit Granatwerfern und Kalaschnikows das Feuer auf eine äthiopisch-somalische Einheit. Die Regierungssoldaten schossen mit Panzern zurück. Mehrere Soldaten sollen gekidnappt worden sein, doch eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Die Gefechte weiteten sich im Laufe des Tages über große Teile der Stadt aus. „Überall auf den Straßen ist Maschinengewehrfeuer zu hören“, berichtete am Nachmittag Abukar Sheich Ali von der Hilfsorganisation „Daryeel Bulsho Guud“. Leichen lagen unbeachtet in den Straßen. Von den gut 1.200 unter Mandat der Afrikanischen Union in Mogadischu stationierten ugandischen Truppen war den ganzen Tag über nichts zu sehen.

Es ist das erste Mal, dass die regierungsfeindlichen Milizen eine umfassende Offensive unternommen haben. In den vergangenen Wochen hatten sie Ziele bombardiert und waren sofort danach untergetaucht. Diesmal soll eine größere Zahl von Soldaten vor allem aus dem Hawiye- Clan mobilisiert worden sein, der die Islamisten bei ihrem Aufstieg im vergangenen Jahr unterstützt und am Dienstag Widerstand gegen Jusufs Regierung angekündigt hatte. Nach einem Treffen machten die Ältesten die neuen Herrscher für Raubüberfälle, Vergewaltigungen und illegale Verhaftungen verantwortlich. „Die Truppen der Übergangsregierung, aus Äthiopien und Uganda haben Mogadischu illegal eingenommen“, hieß es weiter. „Wir werden uns gegen die Regierung zur Wehr setzen und ihre Pläne stoppen.“

Die Spannungen zwischen den Clans gefährdeten die Pläne für eine von internationalen Gebern geforderte und für Mitte April angesetzte Versöhnungskonferenz, die die Übergangsregierung ohne sonderlichen Enthusiasmus verfolgt. Gespräche mit den Islamisten schließt Jusuf ohnehin immer wieder aus. Vertreter der Europäischen Union, die das Treffen mit bis zu 3.000 Teilnehmern finanzieren soll, sind angesichts der mangelnden Fortschritte bei der Vorbereitung immer ungehaltener. Jenseits von Jusufs Regierung rätseln Somalis, wer dort eigentlich genau was diskutieren soll. Das Vertrauen auf eine Verständigung ist gering: Mehr als 40.000 Bewohner sind bereits in klägliche Lager im Umland Mogadischus geflohen.

MARC ENGELHARDT