DIE DIGITALEN BÜRGERRECHTLER SCHEITERN MAL WIEDER AN DER MOBILISIERUNG. EIN BAUVORHABEN KÖNNTE HELFEN
: Es fehlt an Beton

MEIKE LAAFF

Bauvorhaben sind immer gut. Einkaufscenter am Taksimplatz, Bahnhöfe mit Juchtenkäfern in Stuttgart, Abriss des Elsenstegs, der 15 Meter entfernt von einer richtigen Brücke die Berliner Stadtteile Treptow und Neukölln verbindet: So kriegt man Leute auf die Straße. Nichts bringt den Puls schneller hoch als die Aussicht auf die planierte Grünfläche oder die schlimme Betonsünde, die man jeden Tag optisch erdulden muss. Das ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den Anti-Gentrifizierungs-Gentrifizierer, stramme Linke und Opa Kasupke zu bringen sind. Egal ob von schnöden „Not In My Back Yard“-Motiven getrieben, oder weil es sich endlich wieder anfühlt, als könnte man wirklich etwas verhindern. Endlich etwas Greifbares, nicht wie diese diffusen Metakrisen von Bankenkollaps bis Geheimdienstüberwachung. Beton verhindern – das ist doch mal ein Anfang. Von da aus kann man ja locker weiterfordern, wenn man eh schon auf der Barrikade rumsteht. Soweit der Konsens trägt.

Exakt so ein Neubauprojekt hat am vergangenen Samstag mal wieder gefehlt. Pläne für ein NSA-Abhörgebäude im Berliner Mauerpark oder, noch besser: ein Google-Datencenter neben der Dresdner Waldschlösschenbrücke – das hätte doch endlich mal Bionadekiezschnösel, Ökos und Geeks gemeinsam auf die Straße getrieben, zur „Freiheit statt Angst“-Demo, diesem 1.-Mai-artigen Politfolkloremarsch der digitalen Bürgerrechtler. Dann wären vielleicht mehr gekommen als schlappe 5.000 Leute. Schon wieder weniger als im Jahr zuvor. „Die Mitte der Gesellschaft hatte offenbar was anderes vor“, resümierte Spiegel Online trocken.

Ebenjene Mitte der Gesellschaft wird vom Internet Governance Forum, das heute in Istanbul endet, erst recht keine Notiz genommen haben. Kein Wunder, denn die meist hochtheoretischen Debatten über die globale Organisation der Netze ziehen sich wie Kaugummi und bleiben im Ergebnis meist ebenso wabberig. Für die globalen Netze ist wichtig, ob und wie die USA ihre Aufsicht über die Internet-Verwaltungsorganisation Icann abgeben oder nicht. Große Aufschreie erzeugt das aber nicht.

Einfach verständlich ist hingegen, dass es ziemlich absurd ist, ein solches Forum, in dem viel unter anderem auch Vertrauen ins Digitale und in Menschenrechte auf dem Programm stehen, in der Türkei stattfinden zu lassen. In einem Land, das Bürger vor Gericht stellt, weil sie vom Taksimplatz aus über die Proteste twitterten. Und in dem Youtube und Twitter zeitweise blockiert wurden.

Mindestens ebenso absurd der Auftritt, den die USA bei dem Treffen mal wieder hinlegen – zumindest wenn man den Vorwürfen im aktuellen Spiegel Glauben schenkt. Darin wird unter Berufung auf Snowden-Dokumente berichtet, dass die NSA die Türkei zwar mit ausgespähten Infos versorgte, sie aber dennoch engmaschig überwachte. Ein peinliches Thema, das bei dem Multistakeholder-Redemarathon IGF natürlich mit, ähem, aller diplomatischen Contenance ausgespart wurde.

Montag

Josef Winkler

Wortklauberei

Dienstag

Jacinta Nandi

Die gute Ausländerin

Mittwoch

Matthias Lohre

Konservativ

Donnerstag

Margarete Stokowski

Luft und Liebe

Freitag

Jürn Kruse

Fernsehen

Eine Mauer des Schweigens quasi. Was aber leider zu abstrakt ist, zu wenig echte Bausünde, um groß zu mobilisieren.