Besetztes Gotteshaus

In Bielefeld soll aus einer christlichen Kirche eine Synagoge werden. Besetzer wollen den Verkauf stoppen

Es könnte eine kleine kirchengeschichtliche Sensation werden. Eine christliche Kirche, die in eine Synagoge umgewandelt wird? Das hat es bisher nur ein paar Mal gegeben in Deutschland – und demnächst vielleicht auch in Bielefeld. Wegen Geldmangels will die dortige evangelische Kirche eines ihrer Gotteshäuser, die Paul-Gerhardt-Kirche, verkaufen. Interessiert ist die jüdische Gemeinde, die aufgrund der Zuwanderung aus Osteuropa gewachsen ist.

Ob es allerdings jemals dazu kommt, ist seit Sonntag wieder offen. Denn nicht alle Gemeindemitglieder sind für den Verkauf der Kirche. Nach dem offiziell letzten Gottesdienst besetzten einige von ihnen das Gotteshaus. „Wir bleiben, bis klar ist, dass die Kirche bleibt“, kündigt Hermann Geller an. Der Besetzer sieht das Gemeindeleben bedroht und hat sogar einen Verein für den Erhalt der Kirche gegründet. Der Verkauf sei völlig unnötig, argumentiert Geller: „Wir sind in der Lage und willens, das Geld für den Unterhalt aufzubringen.“ Die Kirchenleitung breche damit außerdem frühere Vereinbarungen, das Gotteshaus zu halten.

Sollten Geller und seine Mitstreiter Erfolg haben, wäre allerdings auch eine Synagoge an dieser Stelle verhindert. Bielefelds Superintendentin Regine Burg hat den Besetzern in der Lokalpresse schon „eindeutig antisemitische Affekte“ attestiert. Geller sei früher selbst für den Verkauf gewesen, dagegen sei er erst, seit die jüdische Gemeinde als Käuferin im Gespräch sei, behauptet die Kirchenspitze. Geller ist über solche Vorwürfe empört. „Das ist nicht wahr“, sagt er. „Wir überlegen, ob wir eine einstweilige Verfügung dagegen beantragen.“ Der Protest richte sich nicht gegen den Verkauf an die jüdische Gemeinde, beteuert er. „Wir wollen die Kirche behalten, egal wer der Käufer ist.“

Die Evangelische Kirche Bielefeld will nun erst einmal intern beraten, wie sie auf die Besetzung reagieren soll. „Das ist für uns eine ungewöhnliche Situation“, sagt Sprecherin Astrid Weyermüller. Der Verkauf sei aber nötig, da die Kirche wegen der allgemeinen demografischen Entwicklung immer weniger Mitglieder und Geld habe. Die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld hält sich aus dem Streit ganz raus. Immerhin hätte es einen Vorteil, wenn die jüdische Gemeinde das Gebäude kaufen würde, wirbt Vorstand Irith Michelsohn: „Es ist ein Gotteshaus und es bleibt ein Gotteshaus.“

DIRK ECKERT