rom, ewige stadt des tands von JOACHIM FRISCH
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An kaum einem Ort treffen auf so engem Raum so viele verschiedene Sprachen, Mentalitäten, Kasten, Religionen, Frisuren, Geschmacksverirrungen, Körperausdünstungen und Handy-Klingeltöne aufeinander wie am Trevi-Brunnen in Rom, vor einer beeindruckenden Kakophonie von Geplätscher und Gequassel.

Neulich Abend lümmele ich dort herum, lasse mich von der wuseligen Atmosphäre berieseln und spüre den seichten Hauch der Utopie, der leise flüsternd die Gleichheit vor dem Geschwätz verspricht. Es wäre das Paradies, wenn neben dem Erlebnis friedlicher Koexistenz auch die Sehnsucht nach der Heimat zu ihrem Recht käme, das kleine Glück des Geborgenseins im Wohlvertrauten, denkt es in meinem schon etwas weinbesäuselten Oberstübchen. „Siesche däs, Fraa, wunnerbar, wie däs glizzärd“, klingt und singt es da in schönstem vorderpfälzischem Idiom. Schräg links hinter mir hat sich ein Paar eingefunden, das, nach der Sprachmelodie zu urteilen, aus der Gegend um Böhl-Iggelheim stammen muss. Kindheitsglück und Heimatsehnen, versöhnt mit Weltläufigkeit und Vielfalt. Das Paradies?

Noch rinnen mir Schauder des Behagens über den Rücken, als jäh ein zerrender Krach Luft und Idyll zerreißt. Mit Vollgas rast ein Trabbi auf mich zu. Mit einem Reflex springe ich zur Seite, wobei ich eine etwas übergewichtige Dame anremple, die gerade mit einem Nokia-Handy ihre Begleiterin beim obligatorischen Münzwurf über die Schulter in den Brunnen fotografiert. In hohem Bogen fliegt das Handy ins Wasser, begleitet von schrillem Quieken beider Damen, die, so sollte sich später herausstellen, eigens für dieses Foto aus Houston,Texas, eingeflogen sind.

Der Trabbi ist gar kein Trabbi, sondern der neueste Verkaufsschlager tamilischer Straßenverkäufer, die seit Jahren in den Großstädten der Welt unterwegs sind, um überall den gleichen überflüssigen Mist zu verramschen, sinnfernste Auswüchse kapitalistischer Überproduktion wie blinkende Elchfeuerzeuge oder freeclimbende Gummi-Reinhold-Messner. Und jetzt fluoreszierende fliegende Untertassen mit Trabbimotorlärm.

Grinsend hält der Straßenverkäufer nun seine Trabanten-Untertasse dem Böhl-Iggelheimer Pärchen vor die Nase, als sei das versenkte finnische Handy der Texanerin der größte strategisch-militärische Triumph seit dem Sechstagekrieg. Der Vorderpfälzer sieht das anders. Mit den Worten „Mach zu, dassde Land gwinnsch, Borschelsche“, herrscht er den Verkäufer an. Der Tamile lächelt obstinat, der Pfälzer wedelt herrenmenschenhaft hektisch mit beiden Handrücken: „Uff, zisch ab, huschhusch.“

Das Behagen ist im Arsch. Immerhin habe ich mich im trügerischen Rausch der globalen Idylle nicht dazu hinreißen lassen, mich als Landsmann des Herrenmenschen zu outen, und die Texanerin knipst schon wieder mit ihrem noch triefenden Handy in der Gegend herum. Das nenn ich Globalisierung in nuce: Am Trevi-Brunnen in Rom fotografieren texanische Touristinnen mit ihren finnischen Handys, wie illegal eingewanderte tamilische Straßenverkäufer, unterwegs im Auftrag der südchinesischen Tandmafia, von vorderpfälzischem Touri-Spießer aus Böhl-Iggelheim angeblökt werden. Kann das gut gehen?