„Ich muss mir nichts mehr beweisen“

ABSCHIED Hamburgs langjährige Spitzen-Grüne Christa Goetsch verkündet ihren Ausstieg aus der Politik. 2008 führte sie ihre Partei in die erste schwarz-grüne Koalition in Deutschland. Das sei richtig gewesen, findet die ehemalige Zweite Bürgermeisterin immer noch – auch wenn das Ende „nicht so schön war“

62, Studienrätin, grüne Bürgerschaftsabgeordnete in Hamburg seit 1997. Von 2002 bis 2008 Fraktionsvorsitzende, 2004 und 2008 Spitzenkandidatin im Wahlkampf. In der schwarz-grünen Koalition von 2008 bis 2010 Zweite Bürgermeisterin und Schulsenatorin.

taz: Frau Goetsch, warum wollen Sie Ihre politische Karriere beenden?

Christa Goetsch: Es gibt doch den schönen Satz von der „Macht auf Zeit“. Ich bin jetzt seit 17 Jahren politisch aktiv in der Bürgerschaft und im Senat – eine schöne Zeit und eine lange Zeit. Deshalb bin ich zu der Entscheidung gelangt, bei der nächsten Wahl im Februar nicht mehr zu kandidieren. Ich sag’ jetzt Tschüss.

Gibt es neben den privaten nicht auch politische Gründe?

Es ist eine rein persönlich motivierte Entscheidung. Ich habe in der Hamburger Politik eigentlich alles erreicht als Schulpolitikerin, als Fraktionsvorsitzende und dann als Zweite Bürgermeisterin und Senatorin. Ich muss mir nichts mehr beweisen und anderen erst recht nicht.

Sie haben 2008 als Spitzenkandidatin erstmals einen grünen Landesverband in eine Koalition mit der CDU geführt. Im Rückblick: War das ein Fehler?

Nein. Wir hatten damals eine besondere Konstellation. Die CDU war eine recht moderne Großstadtpartei, und sie hatte die Personen, die das repräsentierten, allen voran natürlich der Bürgermeister Ole von Beust. Damals konnten wir uns deshalb eine Zusammenarbeit vorstellen, und sie funktionierte ja auch zwei Jahre gut.

Bis von Beust dann hinschmiss.

Die Koalition hing sicher sehr stark an bestimmten liberalen Personen, mit denen eine gute und faire Kooperation möglich war. Das Ende allerdings, das ist richtig, war nicht so schön. Denn als sich diese Personen verabschiedeten, war eine solche Kooperation nicht mehr möglich.

Zerbrach das Bündnis über die Niederlage beim Volksentscheid zur Schulreform?

Der Rücktritt von Ole von Beust hatte damit nichts zu tun. Der zeitliche Zusammenhang war kein inhaltlicher. Und wir hätten das schwarz-grüne Bündnis durchaus fortsetzen können, wenn nicht größere Probleme in der Ausrichtung aufgetreten wären. Die CDU ist mit dem Wechsel von Ole von Beust zu Christoph Ahlhaus deutlich konservativer geworden, das wurde immer schwerer zu vereinbaren.

Ihre Schulpolitik war also kein Fehler?

Ganz im Gegenteil. Vielleicht waren wir zu früh, der Zeit etwas voraus, und haben deshalb den Durchbruch nicht geschafft. Das ist bitter. Aber der Atomausstieg hat auch 30 Jahre gedauert. Das sind schon dicke Bretter, die man da bohren muss. Ganz nebenbei: Über 60 Prozent der Gymnasialeltern haben sich in einer späteren Umfrage für ein längeres gemeinsames Lernen ausgesprochen. Und noch heute sagen mir Behördenmitarbeiter, dass sie selten so motiviert waren wie damals, weil sie inhaltlich von der Schulpolitik überzeugt waren. Das tut auch gut.

Insgesamt war die schwarz-grüne Koalition also eine gute Idee?

Sie war mit Ole von Beust und seinem Team die richtige Entscheidung. Und sie war auch strategisch richtig, um die Grünen von der SPD als einzig möglichem Koalitionspartner zu emanzipieren.

Ist dieses Bündnis ein Modell für andere Bundesländer?

Wenn die Themen stimmen und die Personen zusammenfinden, ist das eine Option wie jetzt auch in Hessen.

Wenn Schwarz-Grün so gut ist: Wie konnte dann der Sozialdemokrat Olaf Scholz 2011 die absolute Mehrheit holen – mit der bloßen Behauptung, endlich mal ordentlich regieren zu wollen?

Es war sehr problematisch, dass wir einen Wahlkampf für Rot-Grün gemacht haben. Diese schnelle Bereitschaft zum Wechsel von der CDU zur SPD wurde von den WählerInnen nicht honoriert. Und dann haben zum Schluss noch einige statt uns Grüne gleich die Roten gewählt. Das waren Fehler von uns.

Was machen Sie ab Februar 2015 so ganz ohne Politik?

Ich bin weiterhin Lehrerin an der Luise-Schröder-Schule in Altona. Und ich werde mein ehrenamtliches Engagement verstärken in der Böll-Stiftung, im interreligiösen Dialog und im Kulturbereich.

Und das Häuschen im Wendland gibt es weiter?

Auf jeden Fall. Und da werden mein Mann und ich künftig häufiger sein können und uns stärker einbringen ins kulturelle Wendland und in den Widerstand gegen ein Endlager Gorleben. Der Kampf geht ja weiter.INTERVIEW: SVEN-MICHAEL VEIT

Langfassung des Interviews auf www.taz.de