Schulversuch in Hamburg startet

NEUE EPOCHE Erstmals unterrichten in der Hansestadt Waldorflehrer und klassisch ausgebildete Pädagogen gemeinsam – und sichern den Erhalt einer Ganztagsschule

Die künstlerisch-handwerklichen Fächer sollen größeres Gewicht erhalten

Lange wurde hanseatisch gewägt, mit dem Beginn des neuen Schuljahrs 2014/2015 wird nun gewagt: an der Ganztagsschule Fährstraße im Stadtteil Wilhelmsburg integriert man ab jetzt waldorfpädagogische Elemente in den normalen Unterricht. Bei dem Schulversuch, der parallel in drei ersten Klassen startet, unterrichten Waldorflehrer und Lehrer der staatlichen Schule gemeinsam.

Neu hinzu kommt etwa das Prinzip des „Epochenunterrichts“, zudem sollen die künstlerisch-handwerklichen Fächer nun ein größeres Gewicht erhalten. Das Wohl der Kinder sei das wichtigste Motiv für diese bisher in Deutschland unbekannte Form der Kooperation, so Henning Kullak-Ublick vom Bund der Freien Waldorfschulen anlässlich der Auftaktveranstaltung: „Dabei war ich immer wieder von dem professionellen und menschlichen Engagement des Kollegiums dieser Schule beeindruckt, von der Begeisterung und dem Durchhaltevermögen der Waldorf-Initiative, vor allem aber von dem gemeinsamen Ringen um die richtige Pädagogik für die Kinder.“

Kullak-Ublick gratulierte den Beteiligten und auch der Schulbehörde dazu, dass sie den Mut zu diesem Schulversuch aufgebracht hätten: „Ohne Mut kann nichts Neues auf der Welt passieren.“ Der in Hamburg stattfindende Ideentransfer sei letztlich auch gar nichts Neues: Viele pädagogische Ideen, die zuerst an Waldorfschulen ausprobiert wurden, seien in den vergangenen Jahrzehnten nach und nach in das allgemeine Schulwesen übergegangen, angefangen beim Fremdsprachenunterricht ab der ersten Klasse über die Berichtszeugnisse ohne Sitzenbleiben bis zum Epochenunterricht, der der Idee des Projektunterrichts zugrunde liege.

Wenn Kritiker des Schulversuchs das Argument ins Feld führen, die Waldorfpädagogik eigne sich nicht für Kinder in sozialen Brennpunkten wie Hamburg-Wilhelmsburg, verweist Kullak-Ublick auf konkrete Erfahrungen anderer Art: Von den weltweit mehr als 1.000 Waldorfschulen und noch weit mehr Waldorfkindergärten arbeiteten viele etwa in brasilianischen Favelas, afrikanischen Townships oder anderen herausfordernden Nachbarschaften. „Gerade unter diesen schwierigen Bedingungen stellt die Waldorfpädagogik weltweit ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis.“ ANSGAR WARNER