Weinkultur à la Demeter

BIODIONYSISCH Wenn im Weinberg Baldrian, Kamille oder Eichenrinde genauso zum alltäglichen Repertoire gehören wie Quarz oder Kuhmist – dann handelt es sich wahrscheinlich um einen Demeter-Winzer

Der Klimawandel gab den Anstoß, Wein künftig anthroposophisch anzubauen

VON ANGELIKA SYLVIA FRIEDL

Hans-Peter Trautwein freut sich über das Wetter. Kühle Nächte und sonnige Tage treiben noch einmal die letzte Reife in den Wein. Gute Voraussetzungen für die Lese, die jetzt in den ersten zwei Wochen im September beginnen soll. Vor allem Weine aus der Burgunderfamilie wie Chardonnay, aber auch Gewürztraminer wachsen in den Weinbergen der Familie Trautwein. Auf dicken Lössschichten unter vulkanischem Gestein. Das Weingut liegt am Rande eines Naturschutzgebietes in einem kleinen Ort nahe dem Kaiserstuhl im milden Südwesten der Republik. Vor 14 Jahren hat Trautwein auf biodynamischen Weinbau umgestellt. 2004 bekam er das Demeter-Siegel. Aber bereits seit Anfang der achtziger Jahre betreiben die Trautweins ihre Weinberge nach ökologischen Richtlinien.

Der erneute Wechsel hat sich in zweifacher Weise gelohnt, erklärt Trautwein, der seit einer halben Ewigkeit, seit 45 Jahren, Winzer ist. „Zum einen werden die Pflanzen widerstandsfähiger, zum anderen ist der Boden fruchtbarer“. Beim biodynamischen Anbau sollen sich Erde und Reben harmonisch verbinden. „Dynamisch ist da natürlich nicht der Winzer, sondern es sind die Präparate, die wir ausbringen“, scherzt Hans-Peter Trautwein. Im Herbst vergräbt er Kuhhörner, gefüllt mit Rindermist, in der Erde. Das Gemisch ruht den Winter über und sammelt Kraft. Wenn er es im Frühjahr herausholt, hat es sich in feine, geruchslose Erde verwandelt. Er mischt es mit lauwarmem Wasser – dann wird es eine Stunde lang mit rhythmischen Bewegungen tüchtig umgerührt, also dynamisiert. Und in homöopathischen Dosen um die Weinstöcke herum gesprüht. So sollen das Bodenleben und der Humus aufgefrischt werden. Pulverisiertes Silicium stärkt dagegen die Pflanzen. In Kuhhörner eingelagert bleibt es den Sommer über in der Erde und wird im Herbst auf die Reben gespritzt. Das Stärkungsmittel hilft ihnen, die Lichtenergie der Sonne besser zu verarbeiten.

Der Klimawandel war’s, der den entscheidenden Anstoß gab, Wein künftig auf anthroposophische Weise anzubauen. Viele Jahre lang beobachtete Trautwein die Wetterkapriolen, es wurde immer wärmer und feuchter. Ihm fiel auf, dass die Reben Schwierigkeiten mit dem Klima hatten. Und er wollte sie wieder in eine gute Balance bringen. Wein mag Wärme und braucht natürlich auch Wasser. Aber mehr in dosierten Mengen und nicht mit sintflutartigen Regenfällen, wie sie zum Beispiel im Juli dieses Jahres auf die Landschaft am Kaiserstuhl niederprasselten. Etwa 30 Prozent der durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmenge ermittelten die Meteorologen. So viel Wasser schadet der Qualität und lockt den Schrecken aller Winzer herbei: Mehltau. Um seine Pflanzen gegen die Pilzkrankheit zu wappnen, begießt Hans-Peter Trautwein sie regelmäßig mit einem Aufguss aus Schachtelhalmen. Deren harte Blätter sollen auch die Reben widerstandsfähiger machen. Genauso wie ein Auszug aus Braunalgen, die besonders viele Mineralien enthalten. Hilft das alles nicht, greift der Winzer wie alle seine Kollegen im Bioweinanbau zu Kupfer, dem noch immer zuverlässigsten Mittel gegen den Mehltau. Bei Demeter und Bioland sind aber jährlich höchstens 3 Kilogramm pro Hektar erlaubt, deutlich weniger als in der konventionellen Landwirtschaft üblich. „Derart geringe Mengen schaden Menschen nicht“, ist Trautwein überzeugt. Kupfer sei schließlich auch ein Spurenelement im menschlichen Organismus.

Rebstöcke nur bei abnehmendem Mond beschneiden, den Mist im Weinberg verteilen, der aufwendig mit dynamisierten Tees aus Kräutern wie Schafgarbe, Eichenrinde, Baldrian und Brennnessel angereichert wurde, oder das Aussetzen von Grünpflanzen, um den Boden zu verbessern – keine Frage, Weinanbau nach den Rhythmen der Natur ist arbeitsintensiv. Und dann tragen die Trautweins auch noch ein höheres Ertragsrisiko als konventionell arbeitende Winzer. Die Ernteerträge sind etwa 15 bis 20 Prozent niedriger. Aber die Trauben danken es den Weinbauern. Sie sind klein, widerstandsfähig, saftig und haben mehr Geschmack als konventionell behandelte Trauben. „Unsere Weine sind tiefgründiger und länger, bleiben also länger im Mund und besitzen eine gewisse Mineralität“, sagt Trautwein. Kunden rühmten die Bekömmlichkeit, nach einem Glas zu viel bleibe kein schwerer Kopf zurück.

Die Anerkennung der Fachwelt hat Hans-Peter Trautwein, genauso wie andere biodynamisch wirkende Winzer, bereits gefunden. Der aktuelle Gault-Millau WeinGuide hat dem Weingut immerhin zwei Trauben verliehen, fünf Trauben gelten der Bibel der Genießer als der höchste Wert. Und als bester badischer Biowein 2014 ist kürzlich der Cuvée Noir 2012 der Winzerfamilie prämiert worden. Ein tiefdunkler Rotwein, der im Duft an Cassis erinnert und im Abgang wie ein samtiger Spätburgunder schmeckt.