Live ins Schneegestöber

Eine Sprotte, die die Haifische der Branche gern abhängen würde: Eine Oldenburger Firma wurde jüngst für ihren frisch entwickelten 3D-Fernseher ausgezeichnet. Der arbeitet vorrangig mit der Illusion von Tiefe

„Ich mache das Fenster zu. Damit Sie nicht denken, das kommt von draußen, was Sie jetzt spüren.“ Ralf Lohmann, Geschäftsführer der auf 3-D-Fernseher spezialisierte „Charisma“, macht sich an den schweren Vorhängen des firmeneigenen Showrooms in Jaderberg bei Oldenburg zu schaffen. Dann verlässt er den Raum, der auch ein betucht-bürgerliches Wohnzimmer sein könnte, und lässt die Besucher mit dem Bildschirm allein.

Die Oldenburger Firma „Charisma TV“ ist dem Traum vom Bild zum Hineinsteigen mit dem, was der Showroom präsentiert, den 3-D-Bildschirmen ein Stück näher gekommen. Die Firma, die einen Preis des Bundeswettbewerbs „Deutschland – Land der Ideen“ erhielt, konstruiert Fernsehen in 3D – ohne rot-grüne Pappbrille, ohne spezielle Aufnahmetechnik. Zu realisieren bei jeder Fernsehsendung, jeder DVD, jedem Digitalfoto.

Auf dem 3-D-Bildschirm im „Charisma“-Showroom hangeln sich zum Beispiel Bergsteiger eine steile Wand entlang. Schneegestöber peitscht im Vordergrund, die Landschaft dahinter ist nicht weniger scharf als die Flocken. Charisma-Fernsehen arbeitet kaum mit explizit plastischen Effekten. Es schafft eher die Illusion von Tiefe. Oder, wie Lohmann es formuliert: Hinter dem Bildschirm öffnet sich ein Fenster.

Wie das geht? Das Geheimnis ist so streng gehütet wie das des chinesischen Tees, der im „Showroom“ ausgeschenkt wird. Nur so viel verrät Lohmann: Das menschliche Auge kann jeden Gegenstand in beliebiger Entfernung scharf sehen. Das Gehirn setzt die Bilder zusammen. So entsteht der Eindruck von Tiefe. Ein Charisma-Bildschirm kann das auch. Man spricht dann von „Auto-Stereoskopie“ – im Gegensatz zu den historischen 3D-Filmen, die „stereoskop“, aus zwei verschiedenen Kameraperspektiven aufgenommen wurden. Eine spezielle Brille stellte dann sicher, dass jedes Auge nur eine Perspektive sah.

„Wir sind eine Sprotte im Haifischbecken“, sagt Lohmanns Kollegin Eleonore Jantzen. Würden die Großen der Branche das Geheimnis von 3-D in die Finger kriegen, verschwände es auf ewig in der Schublade, glaubt Jantzen. Wer würde dann noch die herkömmlichen Geräte kaufen, die in den Lagern liegen? Charisma-Technologie im Reich von „saubillig“ und „Geiz ist geil“? Niemals, glaubt Jantzen. Dazu sei sie viel zu teuer. 11.800 Euro muss der Kunde für einen 43-Zoll-Bildschirm hinblättern, es geht aufwärts bis 16.400 Euro. Wer sich so etwas leistet? „Menschen, die sich das bisschen Freizeit, das ihnen bleibt, so angenehm wie möglich machen wollen“, sagt Jantzen. Die Zukunft der 3-D-Technik sehen Lohmann und Jantzen im medizinischen Bereich: Ein von ihnen gebautes Endoskop könne viel präzisere Bilder liefern als herkömmliche Geräte, sagen sie. ANNEDORE BEELTE