Verdeckte Millionen

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Der Siemens-Konzern kommt nicht zur Ruhe: Gestern ist mit dem Zentralvorstand und Siemens-Europa-Chef Johannes Feldmayer erstmals seit Beginn der Schmiergeld-Ära ein aktiver Manager aus der obersten Etage verhaftet worden. Hintergrund sind mögliche verdeckte Millionenzahlungen an die Arbeitnehmervereinigung AUB, die als Konkurrentin zur IG Metall auftritt und von Gewerkschaftsseite schon lange als unternehmensnah kritisiert wurde.

Damit erweitern sich die Schmiergeld-Probleme beim Münchner Konzern auf die innerbetriebliche Organisation. Seit Monaten ermitteln die Behörden bereits wegen millionenschweren Schmiergeldzahlungen bei Auftragsakquisitionen im Ausland, nach Angaben von Siemens geht es um 420 Millionen Euro. In Düsseldorf läuft bereits ein Gerichtsverfahren, in dem Siemens-Mitarbeiter bereits Schmiergeldzahlungen gestanden haben.

Die Verhaftung des Topmanagers Feldmayer dreht sich dagegen um Arbeitnehmervertreter aus dem eigenen Hause, die möglicherweise mit Geldzahlungen auf Linie gebracht worden sind. Bereits seit Mitte Februar sitzt der Bundesvorsitzende der AUB, Wilhelm Schelsky, in Untersuchungshaft. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AP hat Feldmayer 2001 einen Vertrag mit dem auch als Unternehmensberater tätigen AUB-Vorsitzenden Schelsky unterschrieben. In den vergangenen fünf Jahren sollen so mindestens 14,75 Millionen Euro geflossen sein, für die es keine eindeutigen Nachweise für Gegenleistungen geben soll. Auf Nachfrage wollte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth diese Angaben zwar nicht bestätigen. Derzeit werde nur wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil der Siemens AG ermittelt.

Doch wie es scheint, wurde das Geld zwar von Gesetzes wegen veruntreut, aber durchaus im Sinne der Unternehmensführung verwendet. Bereits in der vergangenen Woche berichtete die TV-Sendung „Report aus Mainz“, dass die Sonderkommission „Amigo“ – bestehend aus der Staatsanwaltschaft, der Kripo und der Steuerfahndung – auch mögliche Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz untersucht.

Der gestern in U-Haft genommene Feldmayer ist seit knapp vier Jahren Mitglied des Zentralvorstandes der Siemens AG – und Siemensianer von der Pike auf. 1979 kam er in den Konzern, inzwischen ist er für Gebäudetechnik, IT-Dienstleistungen und den Regionalbereich Europa verantwortlich. Der 51-Jährige galt lange Zeit neben dem heutigen Konzernchef Klaus Kleinfeld als aussichtsreichster Bewerber für die Nachfolge von Heinrich von Pierer für das Amt des Vorstandsvorsitzenden.

Im Betriebsrat wunderte man sich gestern über die Inhaftierung. „Ich habe das nicht erwartet“, sagte der Erlanger Betriebsratsvorsitzende Klaus Hannemann der taz. „Ich kenne Feldmayer seit vielen Jahren und er ist stets ein sehr sachorientierter Geschäftsmann gewesen, der bei guten Gegenargumenten auch von eigenen Positionen ablässt.“ Zwar habe die IG Metall die AUB seit ihrer Gründung im Verdacht gehabt, vom Unternehmen geschmiert zu werden. „Aber das ist immer subtil gelaufen, wir konnten nie etwas nachweisen.“

In Erlangen, dem mit 11.000 Beschäftigten weltgrößten Siemens-Standort, stellt die AUB 15 der 37 Betriebsräte, bis 1994 hatten sie sogar die Mehrheit. In dieser Zeit war unter anderem der inhaftierte AUB-Chef Schelsky Betriebsratsvorsitzender am Standort Erlangen. „Damals gab es zwar keine großen Probleme, Siemens ging es gut“, berichtet Hannemann. Aber im Zweifel hätten sich die AUB-Vertreter immer der Konzernmeinung gefügt. „Bei AUB heißt es bei Fragen zur Mitarbeiterausgliederung oder bei einem schlechteren Tarifvertrag: Da kann man doch eh nichts machen, unterschreiben Sie.“