HARALD KELLER DER WOCHENENDKRIMI: Ein parfümierter Schnösel jagt den Frauenmörder
Ob Fiktion oder Sachbuch, die Beschäftigung mit Serienmördern ist ein lukratives Geschäft. Das Krimigenre kommt ohne Mehrfachtäter gar nicht mehr aus und hat sich damit dem Horrorfach angenähert – je grausiger und bizarrer die Tat, desto größer die Chance auf einen Verkaufserfolg.
Die Erfahrung, dass sich mit Gräueltaten Geld verdienen lässt, machten erstmals die englischen Zeitungen des Jahres 1888, als sie über eine Reihe bestialisch ausgeführter Prostituiertenmorde berichteten. Der Täter bekam einen griffigen Spitznamen, der den Serienmord in ein Markenprodukt verwandelte: „Jack the Ripper“.
Der Dreiteiler „Jack the Ripper ist nicht zu fassen“, im Original schlicht „Whitechapel“ betitelt, ist eine intelligente, fesselnde Paraphrase auf den „Ripper“-Mythos. Die Handlung siedelt in der Gegenwart, auch formal ist der Film auf der Höhe der Zeit.
Ein grässlicher Frauenmord erweist sich als Bewährungsprobe für den jungen DI Joe Chandler (Rupert Penry-Jones). Wohlwollende Förderer haben den unerfahrenen Aufsteiger zum Leiter der zuständigen Ermittlergruppe gemacht. Diese altgedienten Polizisten sind abgebrühte Rabauken mit rauem Humor. Sie lassen den parfümierten Schnösel, der sie wegen ihres schlampigen Äußeren und ihrer vermüllten Schreibtische anbellt, auflaufen – und lachen nur hämisch, als er einem spleenigen „Ripperologen“ Gehör schenkt, der auf frappante Parallelen zur Mordserie aus dem 19. Jahrhundert verweist. Doch nicht lange, und auch die Veteranen geraten ins Grübeln …
„Jack the Ripper ist nicht zu fassen“ belegt erneut – man vergleiche Produktionen wie „Spooks“ und „Hustle“ (ZDFneo) –, wie weit britische TV-Krimis den deutschen voraus sind. Jede Folge ist clever konstruiert, brillant geschrieben und stimmig bis ins Detail. DI Chandler zieht am Tatort die Gummihandschuhe nicht aus dem Anzug, wo sie kontaminiert würden, sondern aus einer sterilen Verpackung. Solche Präzision muss der Spannung nicht abträglich sein, im Gegenteil – Plausibilität erhöht die Wirkung eines Erzähltextes durch Intensivierung.
Regisseurin SJ Clarkson („Life on Mars“, „Hustle“, „Heroes“) übersetzt diese inhaltliche Dichte gekonnt in die Filmsprache, visualisiert Geistesblitze durch knapp eingeschnittene Motive, erfasst und betont gewisse Details, verbildlicht die zunehmende Verunsicherung der Beteiligten und die luziden Erschöpfungszustände der gereizten Ermittler. Daneben wirkt jeder „Tatort“ mutlos und hausbacken.
■ „Jack the Ripper ist nicht zu fassen“, ab Sa., 21.35 Uhr, Arte
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