EU will Zentralasien ins Boot holen

Bei einem Treffen in Kasachstans Hauptstadt Astana lotet die EU-Troika Chancen für eine Strategie gegenüber der Region aus. Menschenrechtsverletzungen sind nebensächlich

BAKU taz ■ In Astana wurde am Mittwoch die Zentralasienstrategie der EU geschmiedet. Dazu reiste die EU-Troika unter der Leitung des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier in die kasachische Hauptstadt, um mit den Außenministern aller fünf zentralasiatischen Staaten zu verhandeln. „Die Zeit ist reif für eine engere Kooperation“, sagte Steinmeier und nannte als Gründe für das wachsende Interesse Deutschlands und Europas an der Region zwischen Kaspischem Meer und der chinesischen Grenze den Energiereichtum, die Nähe zu Afghanistan und das drohende Anwachsen des Drogenschmuggels.

Die Zentralasienstrategie gilt als Kür der deutschen EU-Präsidentschaft. Seit einem Jahr feilen deutsche Diplomaten an der Ausarbeitung. Usbekistans Außenminister Wladimir Norow nutzte das Treffen, um das Recht seines Landes auf Morden und Folter zu unterstreichen. Der Diplomat, der jahrelang Botschafter in Berlin war, begrüßte zwar eine Annäherung an Europa, verbat sich jedoch jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten. „Wir wollen kein Lehrer-Schüler-Verhältnis“, sagte er.

Turkmenien und Kasachstan verfügen über gewaltige Öl- und Erdgasvorkommen, die jedoch noch weitgehend am russischen Pipelinenetz hängen. Sowohl in den USA als auch in Europa träumt man vom Bau einer transkaspischen Pipeline, um die Bodenschätze an Russland vorbei durch den kaukasischen Korridor von Baku über Georgien in die Türkei auf die Weltmärkte zu befördern. Dazu müssen vor allem Aserbaidschan, Kasachstan und Turkmenien ins Boot geholt werden.

Zumal nach dem Tod des bizarren turkmenischen Despoten Saparmurad Nijasow das Land eine Chance auf Veränderung hätte. Denn bis dahin hatte Nijasows Halsstarrigkeit jede regionale Kooperation verhindert. So war es auch ein kleines Wunder, dass von Turkmenien zumindest der Vizeaußenminister am Treffen mit der EU-Troika teilnahm. Jedoch fehlte er bei der Pressekonferenz, und EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner machte sich Sorgen, dass der turkmenische Diplomat im Aufzug stecken geblieben sei.

Neben Turkmenien hat die Zentralasienstrategie jedoch ein Usbekistanproblem. Gegen das bevölkerungsreichste Land, von dem die deutsche Bundeswehr den Afghanistaneinsatz koordiniert, hat die EU in Folge des Massakers von Andischan Sanktionen verfügt. Hohe Regierungsbeamte dürfen nicht in die EU einreisen und es gilt ein Waffenembargo. Im Mai 2005 hatten usbekische Sicherheitstruppen einen Volksaufstand in der Provinzhauptstadt zusammengeschossen und nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen über 800 Andischaner Bürger getötet. Beharrlich weigerte sich der usbekische Präsident Islam Karimow, eine internationale Untersuchungskommission ins Land zu lassen, und verteidigte die Niederschlagung als Abwehrkampf gegen den Terror.

Deutschland war bisweilen das einzige Land, das Usbekistan auf diplomatischer Ebene den Rücken freihielt. Noch im März stellte Steinmeier in Aussicht, dass die Sanktionen gegen Usbekistan fallen könnten, wenn Fortschritte im sogenannten Menschenrechtsdialog zu spüren seien. Jedoch verfolgt der usbekische Staat weiter Journalisten und Menschenrechtler. Die Beamten beuten die Bevölkerung aus. Am 13. März hatte sich in der usbekischen Provinz Dschisak Chadischa Aripowa, Mutter von zwei Kindern, im Steueramt mit Benzin übergossen und angezündet. Zuvor hatten Beamte Waren im Wert von 120 Dollar bei der Usbekin konfisziert. Aripowa flehte die Beamten an, ihr die Waren zurückzugeben. Als diese hart blieben, kaufte sie vom letzten Geld Benzin. Am 19. März starb sie an den Folgen der Verbrennungen. MARCUS BENSMANN

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