SPORTPLATZ
: Kein Jubel ist auch eine Gefühlsäußerung

FUSSBALL Union schafft nur dank Karim Benyamina ein 1:1 gegen den FC Ingolstadt

Man kennt das ja: diese Tänze an der Eckfahne. Oder das imaginäre Schaukeln von Babys. Der ganze Quatsch. Karim Benyamina vom 1. FC Union Berlin wählte „eine neue Form des Torjubels“, wie er hinterher sagte: „Mal kein Jubel.“ Er zeigte wirklich absolut keine Reaktion nach seinem Tor zum 1:1 in der 67. Minute, das den Endstand gegen den FC Ingolstadt bedeutete.

Manchmal kann kein Jubel auch Gefühle beschreiben. In diesem Fall geht es wohl um Genugtuung – auch wenn Benyamina das so nicht bestätigen wollte. Einer fragte, ob er nicht dem Trainer gezeigt habe, dass es ein Fehler ist, künftig auf ihn zu verzichten? Womöglich hätte Benyamina etwas Interessantes sagen können, doch da öffnete sich eine Tür im Kabinengang – und Uwe Neuhaus platzte mitten in die Fragerunde. „Kein Kommentar“, sagte Benyamina. Alle lachten. Der Trainer schaute irritiert.

Der 29-jährige Stürmer, nur wegen der Sperre von John Mosquera von Beginn an dabei, zeigte auf seine Weise, wie sehr es ihn immer noch umtreibt, dass sein Vertrag nicht verlängert wird. Nach sechs Jahren bei Eisern Union. Schon beim letzten Heimspiel hatten die Fans ihn inbrünstig hochleben lassen und nun wieder. „Ich denke, weil ich das Tor gemacht habe. Und weil ich bald gehen werde“, sagte Benyamina nachdenklich.

Er war nicht der Einzige, in dessen Innerem es rumorte nach einem Spiel, das sportlich bedeutungslos war – Union hatte die Zweite Liga bereits davor gesichert. Und doch war es eine besondere Partie für manchen Köpenicker. Jan Glinker, der seinen Stammplatz im Tor an Marcel Höttecke verloren hat, erhält aufgrund einer schweren Muskelverletzung des Kontrahenten unverhofft noch Einsätze. Vier Spiele bleiben ihm, um ein wenig Hoffnung mit in die Sommerpause zu nehmen. Denn Glinker betonte, er werde das Feld nicht kampflos räumen. „Ich will nächste Saison noch einmal neu angreifen“, sagte er, der noch bis 2012 Vertrag hat. Die Situation ist für ihn, seit zehn Jahren im Verein, nicht einfach. „Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht nervös war vor diesem Spiel“, gestand er ein. „So wie es gelaufen ist, war es dann sehr schön und wichtig für mich.“ Spektakulär, wie er mit dem Fuß gegen Stefan Leitl und einen Kopfball von Marvin Matip klärte. Aus der Pause kam er lange vor den anderen.

„Ich will erst mal zur alten Form zurückfinden“, sagte Glinker am Ende und räumte ein, dass er durchaus Verständnis dafür habe, dass Neuhaus ihn nach einigen Patzern aus dem Tor nahm. Was seine Zukunft nun angeht, ist unklar. Aber Neuhaus’ Urteil über Glinker klang nett. „Er hatte heute eine gute Ausstrahlung, war sicher und souverän. Ich habe keinen Fehler gesehen“, sagte der Coach. Benyamina sagte sogar, Glinker sei „dafür verantwortlich, dass wir heute nicht verloren haben. Er ist eben ein guter Torwart“.

Und er selbst ist ein guter Stürmer – aber das wollte der Deutschalgerier so nicht formulieren. Neuhaus meinte freundlicherweise, Benyamina habe „ja seine Qualitäten. Und er hat immer seine Tore gemacht.“ Insgesamt nun 86 für Union. Er baute seinen Klubrekord weiter aus – und half mit, die Fans zu versöhnen nach dem blutarmen 0:3 bei Fortuna Düsseldorf.

Die zweite Hälfte mit temporeichem Spiel trotz hoher Temperaturen taugte als Wiedergutmachung, befand auch Neuhaus. Medizinbälle und Treppenläufe hatten in dieser Woche ihre Wirkung offensichtlich nicht verfehlt. Der Übungsleiter, zuletzt ein gestrenger Drillmeister, sagte denn auch zufrieden: „Ein wenig Strafe musste sein. Man hat gesehen: Die Spieler wollen unbedingt, sie zerreißen sich.“ Zwei vor allem – weil sie sich und anderen noch etwas beweisen wollen. Die Fans feierten Glinker und Benyamina, die den Verein aus der Oberliga in die Zweite Liga begleitet haben, am Ende mit lauten Gesängen. MATTHIAS WOLF