Keiner will Menschen zählen

ZENSUS I Zwei Wochen vor Start der Volkszählung fehlen noch etliche Interviewer. Städte und Kommunen fürchten zudem stärkere finanzielle Belastungen als geplant

  Die Zählung: Am 9. Mai beginnt der Zensus 2011. Dabei handelt es sich nicht um eine Vollerhebung. Lediglich 10 Prozent der Einwohner werden per Zufallsprinzip ausgewählt und von Interviewern besucht. Zudem werden alle Immobilieneigentümer per Fragebogen befragt.

  Die Daten: Bei der Befragung geht es in erster Linie um Angaben zu Alter, Geschlecht und Haushaltsmitgliedern. Daneben werden aber auch Daten zu Arbeitsplatz, Religionszugehörigkeit oder Migrationshintergrund erhoben.

  Die Gezählten: Wer zu den ausgewählten 10 Prozent gehört, ist per Gesetz verpflichtet, Auskunft zu geben. Wer sich weigert, muss mit erheblichen Geldbußen rechnen – beginnend bei 250 Euro. Nur die Auskunft zu Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung ist freiwillig. (taz)

VON LUKAS ONDREKA
UND SEBASTIAN FISCHER

Viele Städte und Gemeinden sind schlecht auf die Volkszählung vorbereitet. Kurz vor dem Beginn des Zensus 2011 am 9. Mai klagen sie über zu wenig freiwillige Interviewer und überbordende Kosten.

Wie die Städtetage Baden-Württembergs, Hessens und Bayerns gegenüber der taz berichten, gebe es vor allem in ländlichen Regionen Probleme, ausreichend Interviewer zu finden. „Für viele ist die Aufwandsentschädigung zu gering. Außerdem sind die Anfahrtswege oft zu weit“, sagt Ben Michael Risch vom hessischen Städtetag der taz. Es sei schwierig, für diesen Job Freiwillige zu finden. In Niedersachen sind bereits etwa 10 Prozent der verpflichteten Helfer kurzfristig wieder abgesprungen.

Jeder der sogenannten Erhebungsbeauftragten muss etwa 100 Personen befragen. Pro Interview gibt es 10 Euro – Fahrtkosten werden nicht erstattet. In Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte ist der Job daher wenig attraktiv.

Doch nicht nur in ländlichen Gegenden wird noch nach Interviewern gesucht. „In München fehlen noch 400 Erhebungsbeauftragte“, sagte Reiner Knäusl vom Bayerischen Städtetag der taz. Die Hälfte der fehlenden Helfer will nun das Land Bayern stellen.

Zwangsverpflichtung von Staatsdienern

Dazu sollen Landesbedienstete verpflichtet werden. Ob die Stadt München bis zum Zensusbeginn die restlichen 200 Freiwilligen findet, bleibt unklar. „Wenn es nicht klappt, müssen wir zwangsweise auf kommunales Personal zurückgreifen“, sagte Knäufl. Die können sich ihrer Berufung nur schwer entziehen, müssen ihre Verweigerung im Zweifel auf dem Rechtsweg durchfechten.

Auch finanziell belastet der Zensus Städte und Kommunen. Nach Berechnungen der Stadt Frankfurt werden die vom Land Hessen bereitgestellten 950.000 Euro die entstehenden Kosten nicht decken. Mit Mehrkosten von etwas über 150.000 Euro rechnet man in der hessische Landeshauptstadt.

„Kosten werden auf die Städte abgewälzt“

MICHAEL HOHBERG, GEMEINDE- UND STÄDTEBUND THÜRINGEN

In Sachsen-Anhalt ist die Situation ähnlich prekär: „Die Vorgaben des Statistischen Bundesamtes sind nicht realitätsbezogen“, sagt Jürgen Leindecker, Landesgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt.

Von Anfang an habe es einen Dissens in der Finanzfrage gegeben. Die Gemeinden Sachsen-Anhalts rechneten mit Ausgaben von 14,9 Millionen Euro, während im Gesetzentwurf für das Land nur 6,7 Millionen Euro vorgesehen waren.

Wegen der prognostizierten Mehrkosten haben sich Länder wie Bayern oder Sachsen mit ihren Kommunen geeinigt, zusätzliche Kosten zu übernehmen. In Thüringen besteht eine solche Revisionsklausel nicht: „Die Kosten werden auf die Städte abgewälzt“, beklagt Michael Hohberg von Gemeinde- und Städtebund Thüringen. Auf die Gemeinden kämen dadurch Mehrkosten von einer halben Million Euro zu.

Was bis dato niemand einkalkulieren kann: Eine mögliche Verweigerungswelle seitens der Bevölkerung könnte die Kosten weiter nach oben treiben. Dann müssten die Gemeinden erheblich mehr Aufwand betreiben, die Verweigerer mit Zwangs- oder Bußgeldern gefügig zu machen.