Das Prinzip: Jeder soll sein Bestes geben

„Der Untergang der Hauptschule ist nicht aufzuhalten. Die Schulform wird nicht mehr akzeptiert. Heute kommt niemand mehr freiwillig in die Hauptschule.

Es geht uns in der konkreten Arbeit nicht um diese Schulform, sondern um die Schüler, die wir hier haben. Sie haben eine intensive Förderung nötig, das rührt von ihrer Sozialisation her. Sie haben oft Lernprobleme, viele kommen mit der deutschen Sprache nicht zurecht. Wir haben folgendes Prinzip: ‚Es gibt kein Lern- oder Lebensproblem, für das wir keine Antwort haben.‘ Das heißt, wir nehmen jeden Schüler an und kümmern uns um ihn.

Wir machen das auf drei Ebenen: Wir bieten Hilfen beim Lernen, Hilfen zur Erziehung, und wir kümmern uns auch um die Lebensbewältigung allgemein – von der Aufenthaltsgenehmigung bis zur Lehrstellensuche.

Wir wollen verhindern, dass uns Schüler Richtung Sonderschule verlassen. Das sind ja Schüler, die das Leistungsvermögen haben, aber verhaltensauffällig sind, wie man das nennt. Wir machen zur Persönlichkeitsstärkung viele Angebote, die über den Unterricht hinausgehen – die könnte die Sonderschule gar nicht anbieten. In den 5. und 6. Klassen machen wir zum Beispiel Zirkus mit Jonglage. Oder es gibt ein Musikprojekt, in dem die Schüler eigene Songs und Musik schreiben – richtig professionelle Sachen. Es geht darum, dass wir hier nicht auf die Mitleidstour Punkte machen wollen. Wir vermitteln den Schülern etwas ganz anderes: ‚Du hast großes Potenzial – und das wollen wir.‘ Es muss nicht jeder das Gleiche bringen, aber jeder soll sein Bestes geben. Das stärkt die Schüler enorm.

Unsere Schule zeigt, dass ein integriertes System möglich wäre. Wenn wir ab morgen eine verbindliche zehnte Klasse für alle bekämen und die Mittlere Reife als Regelabschluss anbieten könnten – wir würden es sofort tun. Es ist der einzige Ausweg aus der Krise der Hauptschule.“

Fritz Sperth ist Leiter der Hauptschule Innenstadt in Tübingen: 210 Schüler, 60 Prozent mit Migrationshintergrund. Ein Viertel der ausländischen Schüler muss mit Abschiebung rechnen.