Auf dem Trockenen

Die Schiffer auf dem gesperrten Rhein wollen endlich Anker lichten können. Seit sechs Tagen sitzen sie fest

Seine letzte Fahrt wurde auch seine längste: Seit seinem 13. Lebensjahr ist Kapitän Giel Verkamman auf Europas Wasserstraßen unterwegs. Nun, auf seiner letzten Tour vor seinem Ruhestand, sitzt der Niederländer seit sechs Tagen im Hafen Köln-Niehl fest – wie viele andere. Nach der Sperrung des Rheins aufgrund der Havarie am vergangenen Sonntag versucht der Niederländer, die Zwangspause sinnvoll zu nutzen. Ähnlich wie rund 600 weitere Schiffsführer wartet er auf die Freigabe und hofft, dass möglichst schnell alle 31 verlorenen Container der „Excelsior“ geborgen werden.

Die Vollsperrung nach dem Unfall sei „eine Katastrophe“, sagt Jörg Rusche vom Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt. Täglich passieren etwa 200 Schiffe Köln auf der „wichtigsten europäischen Wasserstraße“. Ergebnis der Sperrung: Es gibt Stau.

Natürlich wolle man den Rhein „schnellstmöglich“ wieder öffnen, sagt Markus Lehmacher vom Wasser- und Schifffahrtsamt Köln. Unabhängig von dem genauen Zeitpunkt der Freigabe stellt sich jedoch vor allem die Frage: Wie kann man ein drohendes Verkehrschaos auf einem Fluss vermeiden?

Die rund 600 zum Warten verdammten Schiffe verteilen sich auf die umliegenden Häfen. Beispielsweise liegen in Köln-Niehl an die hundert Schiffe – im Normalfall wären es gerade einmal zehn bis 15 pro Tag. Entlang der Hafenmauer liegen die Schiffe sogar in Dreierreihen nebeneinander.

„Die meisten Schiffsführer handeln vernünftig und legen weit von der Unfallstelle an“, so Lehmacher. Für eine baldige Freigabe des Rheins gibt es nach Lehmacher verschiedene Varianten. Im Falle einer beidseitigen Öffnung, also einer Freigabe des Rheins für Berg- und Talfahrt, ist „striktes Überholverbot“ angesagt – sonst gebe es „absolutes Chaos“. Um den Stau so schnell wie möglich aufzulösen, könne man nach dem „Perlenketten-Prinzip“ verfahren. „Wir werden jedes Schiff einzeln anfahren und Bescheid geben, dass die Anker gelichtet werden können“, sagt Ramon van der Maat von der Wasserschutzpolizei. Zumindest die rund 130 direkt in Köln festliegenden Schiffe könnten dann binnen weniger Stunden ohne allzu großes Gedränge ihren Weg fortsetzen.

Denkbar sei aber auch eine Teilfreigabe: Lehmacher kann sich beispielsweise eine Öffnung in nur einer Fahrtrichtung vorstellen. „Die Entscheidung hängt aber letztlich davon ab, ob wirklich alle Container aus den Fahrtrinnen geholt werden können“, erklärt er.

Egal wie die Entscheidung ausfällt – unterm Strich werde sich der Stau innerhalb weniger Tage wieder entzerren. Mit genaueren Prognosen zu möglichen Folgestaus halten sich die Experten noch zurück. Schließlich sei es seit 20 Jahren der erste Containerunfall dieses Ausmaßes auf dem gesamten europäischen Wasserstraßennetz, so Rusche. Rheinsperrungen kenne er sonst nur vom Hochwasser.

Auch Giel Verkamman hat „Ähnliches noch nicht erlebt“: Zwar habe er schon oft einige Stunden warten müssen – aber tagelang fest gesessen habe er noch nie. Das ist auch für ihn neu. Doch der 59-Jährige kann darüber lachen. Mit einem Ausflug in die Kölner Innenstadt hat er die Zeit gemeinsam mit seiner Frau sinnvoll genutzt. „Eigentlich wollte ich noch mal die allerletzte Ladung mit nach Hause nehmen, nach Rotterdam, aber das kann ich jetzt vergessen.“ Den ersehnten Ruhestand vor Augen, nimmt er die Situation noch gelassen – obwohl ihn das Warten auf dem Rhein, wie viele Leidensgenossen auch, rund 2.000 Euro pro Tag koste.

CHRISTIAN BECKER