DAS PROGRAMM DES KÖLNER KIRCHENTAGS IGNORIERT DIE JUGENDLICHEN
: Alte lernen, wie man pilgert

Die Kirchen haben jahrelang über schwindende Mitgliederzahlen geklagt, doch nun scheint es, als ob wieder mehr Menschen den Weg in die Gemeinde finden. Auch der Kölner Kirchentag im Juni kündigt von diesem neuen Selbstbewusstsein. Gestern wurde das Programm vorgestellt; „lebendig und kräftig und schärfer“ lautet das Motto. Diese biblische Losung ist allerdings nicht ganz verständlich. Will die Kirche etwa lebendiger werden, um kräftig um die Jugend zu werben – und wie verschärft die Kirche ihren Ton? Kirchentagspräsident Reinhard Höppner erläuterte, man wolle mehr Orientierung in Umbruchszeiten anbieten.

Aber für wen? Jugendliche scheinen jedenfalls nicht die Zielgruppe zu sein. Überfliegt man die 3.000 Angebote, dann stößt man nur auf wenige Veranstaltungen, die interessant sein könnten. So gibt es eine Theateraufführung, die der Verständigung zwischen Jung und Alt dienen soll und die mit den Worten „Hey Junge, ich verstehe dich nicht! … Das Theater mit der Sprache“ angekündigt wird. Aber selbst dieser Titel klingt, als würde es vor allem um die Probleme der Alten mit den Jungen gehen – und nicht so sehr um die Jugendlichen. Programmpunkte wie „Pilgern praktisch … Tipps für Neueinsteiger“ hören sich einfach nur befremdlich an. Zumal es auch noch „Pilgern für Fortgeschrittene“ gibt. Glaubt man dem Programm, dann scheint sich Pilgern am besten zu lernen, indem man sich viele lange Vorträge anhört.

Der Kirchentag beweist Realitätssinn, wenn er sich nicht an die Jugendlichen wendet: Auch bei einem moderneren Angebot wären wir nicht nach Köln gekommen. Nicht dass die meisten von uns etwas gegen den christlichen Glauben hätten – viele meiner Mitschüler besuchen sogar freiwillig den evangelischen Religionsunterricht. Doch hat dies für uns nichts mehr mit der „Institution Kirche“ zu tun: In unserem Religionsunterricht kommt Gott zwar vor, doch reden wir vor allem über das Zwischenmenschliche. Das begeistert auch viele muslimische Mitschüler. RAPHAEL PIOTROWSKI

Der Autor besucht die 9. Klasse einer Realschule in Dortmund und war drei Wochen Schülerpraktikant in der taz