David Hicks könnte bald zu Hause sein

Von der Verlegung des „australischen Taliban“ würde auch die konservative Regierung in Canberra profitieren

CANBERRA taz ■ „Wir weinten beide“, meinte der Vater des „australischen Taliban“ am Dienstag in Guantanamo Bay. Es war der erste Kontakt in zwei Jahren, den Terry Hicks zu seinem Sohn David hatte. Kurze Zeit später bekannte sich der 31-jährige Hicks als erster Angeklagter vor einem Militärtribunal schuldig, den „Terrorismus unterstützt“ zu haben.

Hicks, ein zum Islam konvertierter Hilfsarbeiter aus Adelaide, war vor über fünf Jahren in Afghanistan verhaftet worden. Seither saß er in Guantánamo in Einzelhaft. Für den Vater ist klar: Sein Sohn hat sich nur schuldig bekannt, um „der Hölle zu entkommen“. In den nächsten Tagen wird das Tribunal den Mann verurteilen. Schon Stunden später könnte Hicks in einem Flugzeug nach Australien sitzen. Die australische Regierung von Premierminister John Howard hat mit Washington ein Abkommen geschlossen, dass Hicks den Rest seiner Haftzeit in einem australischen Gefängnis verbringen kann.

Dass der vermeintliche Terrorist nach fünf Jahren endlich ein Gerichtsverfahren bekam, ist in erster Linie das Ergebnis eines bemerkenswerten Wandels der öffentlichen Meinung in Australien. „Es ist sicher nicht, weil Howard plötzlich einen Sinn für Gerechtigkeit entwickelt hat, sondern wegen der Politik“, sagt Brett Solomon, Chef von GetUp. Mit Hicks' rascher Rückkehr wolle Howard eine entscheidende Hürde auf dem Weg zur erhofften Wiederwahl 2007 nehmen.

Es war vor allem dem Druck der 175.000 Mitglieder der politisch unabhängigen Bürgerrechtsbewegung zu verdanken, dass Canberra in Washington endlich mit der Forderung Erfolg hatte, Hicks ein Gerichtsverfahren zu gewähren. Noch vor Wochen bezeichnete ihn die Regierung als Terrorist. Und dies, obwohl es keine Beweise gab, dass der junge Mann in terroristische Aktivitäten verwickelt gewesen war. Vielmehr schien es sich um einen naiven Idealisten gehandelt zu haben, der bei den Taliban nach neuen religiösen Ufern suchte. Die Anklage beschränkt sich heute aufgrund fehlender Beweise nur noch auf die materielle Unterstützung der Taliban. Der Militärankläger will eine Strafe von „deutlich weniger“ als 20 Jahren beantragen, sagte Oberst Mo Davis am Donnerstag. Die bereits abgesessenen fünf Jahre werden ihm angerechnet.

Mit Protestaktionen gelang es GetUp in den letzten Monaten, Australiens Bevölkerung zu überzeugen, dass auch ein vermeintlicher Terrorist „fair zu behandeln“ sei. „Es geht nicht um ihn, es geht um das rechtstaatliche Prinzip“, so die Organisation in ihren Aufrufen. Obwohl der Premier ein enger Freund des US-Präsidenten ist – und Australien die USA im Irak unterstützt – schien seine Bitte, Hicks vor Gericht zu stellen, auf taube Ohren zu stoßen.

Die Wende kam im Februar nach einem Besuch von Vizepräsident Dick Cheney. „Howard muss ihm klar gemacht haben, dass er wegen Hicks die Wahlen verlieren könnte“, meinte ein Kommentator. Tatsächlich deuteten erste Umfragen darauf hin, dass das vermeintliche Versagen der Regierung, Hicks ein „faires Verfahren“ zu ermöglichen, die Wahl mitentscheiden könnte. Wenig später kam die Meldung, Hicks werde der erste Angeklagte vor dem Tribunal sein.

URS WÄLTERLIN