Aufstieg durch Bildung bleibt ferner Traum

OECD-Studie Im alljährlichen Vergleich der Industrieländer schneidet Deutschland wieder gut ab. Allerdings hat sich die Einkommenskluft zwischen Niedrigqualifizierten und Akademikern vergrößert

BERLIN taz | Die Einkommensschere zwischen gut und schlecht Ausgebildeten hat sich in den vergangenen Jahren in allen Industrieländern geöffnet – am weitesten jedoch in Deutschland. Das zeigt der am Dienstag publizierte OECD-Bildungsvergleich.

Demnach verdienen Absolventen von Hoch-, Fach- oder Meisterschulen im Mittel 74 Prozent mehr als Menschen mit Berufsschulabschluss. Vor zwölf Jahren betrug der Einkommensvorsprung noch 45 Prozent. Der Abstand zwischen diesem mittleren Niveau und den unteren Einkommensschichten verringert sich hingegen. Der Berliner OECD-Vertreter Heino von Meyer warnte von einer Aushöhlung der Mitte.

Die Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung, Club der 34 mächtigsten Industrieländer, legt alljährlich einen Vergleich der Bildungssysteme ihrer Mitglieder vor. Anhand von 150 Indikatoren vermisst sie in Bezug auf wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit aber auch soziale Teilhabe.

Letztere ist in Deutschland nach wie vor unzureichend. „Das Versprechen des Aufstiegs durch Bildung bleibt für Schüler aus sozial schwachen Familien in weiter Ferne“, bilanzierte von Meyer. So haben Kinder aus Akademikerfamilien eine doppelt so hohe Chance, Hoch- oder Fachschulen zu absolvieren, wie Kinder von einfach Gebildeten ohne Berufsschulabschluss.

Mit derzeit knapp 30 Prozent Fachschul- und Hochschulabsolventen liegt Deutschland nach wie vor unter dem OECD-Niveau. Von einer Akademikerschwemme könne wirklich nicht die Rede sein, meinte von Meyer.

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sieht zwischen dualer Ausbildung und Studium hingegen eine Unwucht. Zwar lobte sie den enormen Anstieg der Studienanfängerzahlen – mehr als die Hälfte der Jugendlichen eines Jahrgangs immatrikuliert sich inzwischen. Doch befürchtet sie auch, dass „uns in einigen Jahren genau diese dual gebildeten Fachkräfte fehlen“. Der OECD-Mann riet ihr: „Machen Sie die duale Ausbildung attraktiv – an den Übergängen klemmt es oft.“

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Verband Bildung und Erziehung forderten Bund und Länder auf, sich zusammenzutun, um gemeinsam mehr Geld in Grund- und Mittelschulen zu stecken. In der nächsten Woche befassen sich die Länder im Bundesrat mit einer Grundgesetzänderung für mehr Kooperation – allerdings nur bei den Hochschulen. ALE