Das BVB-Prekariat

Zu Beginn der Karwoche nehmen die Abstiegsängste und sportlichen Todesahnungen in Dortmund überhand

DÜSSELDORF taz ■ Als intelligenter Mensch und rhetorisch geschulter Fußballprofi kann Christoph Metzelder auch Problemlagen in eloquente Worte fassen. „Die Situation ist absolut prekär“, sagte der DFB-Auswahlspieler an diesem Wochenende, nachdem sein Verein Borussia Dortmund auf einen Abstiegsplatz abgerutscht war. Das schwarz-gelbe Prekariat ist sich seiner düsteren Lage bewusst. Die morbide Stimmung wird nur übertroffen von der peinlichen Panik der Übersprungshandlungen, die den Abstieg aus der Bundesliga verhindern sollen.

Nach dem hochprekären 0:1 im westfälischen Abstiegsderby in Bielefeld hat BVB-Trainer Thomas Doll zwei Profis aus dem Kader verbannt und zur Vereinsreserve in die Regionalliga Nord abgeschoben. Lars Ricken, der auf der Alm nur wenige Minuten spielte, wird Lustlosigkeit vorgeworfen – er spielte schon unter den Trainern Bert van Marwijk und Jürgen Röber öfter mal für die Reservemannschaft, der in der dritten Liga ebenfalls der Abstieg droht. Abgeschoben wurde auch Florian Kringe – er soll sich laut Bild „nicht gerade professionell außerhalb des Platzes verhalten haben“. Selbst die Mitspieler rätselten, was Doll damit gemeint habe, rätselte der Boulevard. „Das hat Leistungs- und Disziplinar-Gründe“, lispelte Sportdirektor Michael Zorc zur Begründung und attackierte auch den Restkader: „Mit dieser Einstellung gehen wie sehenden Auges in die 2. Liga. Das ist eine Mentalitätsfrage, und diese Mentalität ist bei uns Scheiße.“

Derweil strich Trainer Doll den ursprünglich freien Montag. Von acht Uhr an bis zum späten Nachmittag haben sich die Profis auf dem Trainingsgelände aufzuhalten. Währenddessen werde unter wissenschaftlicher Begleitung der Uni Paderborn ein Laktattest durchgeführt, teilte der Verein gestern mit. Der Trainer wolle „über den körperlichen Zustand eines jeden Einzelnen genauestens Bescheid wissen“. Ob die Verwissenschaftlichung dem BVB hilft, bleibt abzuwarten. Die nächsten Spiele dürften nur mit allerbesten Laktatwerten zu gewinnen sein: Dortmund muss noch gegen mehrere direkte Konkurrenten antreten. Spiele, die zuletzt meist verloren wurden. Zudem wartet Werder Bremen – und der FC Schalke 04.

Es ist die ultimative Nachtmahr vom Borsigplatz: Dortmund steigt ab und Schalke wird Meister. Nicht ganz so schlimme Varianten: Dortmund steigt ab und Bochum bleibt drin, oder Duisburg steigt auf – der BVB, bald die Nummer vier im Revier? Schlimmer war es zuletzt nur 1976: Damals kickten die Borussen in der 2. Liga gegen ETB Schwarz-Weiss Essen und Herne, während Bochum, Duisburg und Rot-Weiss Essen erstklassig waren. Bald könnte sich die Geschichte für die Schwarz-Gelben wiederholen – nur schlimmer.

Im meinungsführenden BVB-Internetforum Schwatzgelb.de lenkten sich die Anhänger gestern mit der üblichen Mischung aus digitalem Zynismus und Onlinecholerikertum ab. Am 1. April lieferten sich die Fans einen Wettbewerb um den dämlichsten Aprilscherz. „Watzke zum Platzwart degradiert“, spottete ein User über den BVB-Geschäftsführer. „Dortmund schafft den Klassenerhalt“, witzelte ein anderer Debatter. Nicht mehr auszuschließen, dass folgender Gag bald Wahrheit wird: „Udo Lattek neuer BVB-Trainer!“

MARTIN TEIGELER