mäuse, muckefuck und schokolade von RALF SOTSCHECK
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Aufgrund der Gnade der späten Geburt muss ich keine Dankbarkeit heucheln: Ich gehöre nicht zu der Generation, der nach dem Krieg von britischen Soldaten eine Tafel Cadbury als Schokolade angedreht wurde. Hunderttausende deutscher Kinder sind mit der irrigen Vorstellung aufgewachsen, dass dieses ölige und pappsüße Zeug Schokolade sei. Das glauben die Briten bis heute, aber sie halten ja auch die grellbunten Backwaren, die aussehen wie Chemiewarnschilder, für Kuchen.

Cadbury, 1824 in Birmingham gegründet, hat in seiner Heimatstadt eine Art Disneyland für Kariesfreunde eingerichtet, komplett mit aztekischem Urwald, einem Schokoladenregen, dem größten Cadbury-Laden der Welt und einer Demonstration der Schokoladenproduktion. Dafür muss man allerdings nicht nach Birmingham fahren, das kann man auch im Internet haben. Auf der Seite des Unternehmens gibt es ein Schokoladenspiel, bei dem man die richtige Menge der richtigen Zutaten in einer bestimmten Zeit zusammenrühren und rechtzeitig auf Stop drücken muss – sonst sagt der virtuelle Qualitätskontrolleur: „Überproduktion! Wollen Sie uns ruinieren?“ Sein echter Kollege hingegen hat schwer versagt. Voriges Jahr vergiftete Cadbury 37 Kunden mit dem seltenen Salmonellenerreger „Montevideo“, weil ein Rohr undicht war. Die Rückrufaktion kostete das Unternehmen 30 Millionen Euro. Außerdem musste Cadbury seine Riegel danach eine Zeitlang verramschen, um nicht darauf sitzen zu bleiben. Diesmal wird es nicht ganz so teuer, man hat ja schon Übung: Zurzeit ruft Cadbury seine Ostereier, Minicremeeier und Osterhühnchen zurück, weil sie in Maschinen montiert worden sind, in denen zuvor Nüsse verarbeitet wurden. Nussallergien haben sich in Großbritannien in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht, aber auf Cadburys Ostereiern fehlt der Warnhinweis, sodass eine Prozesslawine drohte.

Genau genommen ist Cadbury gar keine Schokolade, denn in die gehört Kakaobutter statt Rapsöl. Die britische Regierung musste sich von der Europäischen Union eine Sondergenehmigung holen, damit sich diese Ersatzware überhaupt Schokolade nennen darf. Cadbury ist der Muckefuck unter den Schokoladen. Als die Firma eine ihrer Pseudoschokoladentafeln „Swiss Chalet“ („Schweizer Berghütte“) nannte, platzte der Schweiz der Kragen. Sie zog 1997 vor ein englisches Gericht und gewann. Cadbury musste das Produkt umbenennen. Es heißt jetzt „Englische Baracke“.

In Australien zog das Unternehmen ebenfalls den Kürzeren. Es hatte gegen den Schokoladenhersteller Darrell Lea geklagt, weil der seine Ware ebenfalls in dunkellila Papier einwickelt. Es bestehe Verwechslungsgefahr, monierte Cadbury. Das sei Strafe genug, meinte der Richter offenbar. Wer will schon mit Cadbury verwechselt werden? In einem anderen Prozess ist die Südlondoner Filiale der Supermarktkette Asda zur Zahlung von 18.000 Pfund Strafe plus 9.000 Pfund Verfahrensgebühren verurteilt worden. Ein Kunde hatte eine Maus entdeckt, die auf dem Süßwarenregal gemütlich einen Schokoriegel verspeiste. Aus dem Urteil geht allerdings nicht hervor, ob Asda wegen Tierquälerei verurteilt wurde.